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Panorama: Zeigt her eure Beine

Die Modebranche hat das Revival der Leggings angekündigt – an die sich niemand so richtig erinnern mag

Die Erfindung der Leggings hat viel mit dem Ballettsport, der Serie „Fame“ und dem Film „Flashdance“ zu tun. Und auch mit dem Wunsch, so auszusehen, als könnte man etwas, das man nicht kann: das Knie bis zur Nase hochziehen oder tanzen, klar. Die Geburtsstunde dieses Kleidungsstücks kann so dramatisch nicht gewesen sein, die Umsetzung dauert bis heute nur eine Sekunde. Man nimmt eine dicke blickdichte Strumpfhose und schneidet sie auf Knöchelhöhe ab.

Jennifer Lopez ist in ihrem aktuellen Videoclip als Jennifer Beals in „Flashdance“ verkleidet. Und läuft nicht nächste Woche wieder eine neue Castingshow mit dem Titel „Fame“ an? Trotzdem, die Leggings sind, neben dem Ballonrock, das Kleidungsstück, gegen das sich Designer, die Kunden, die Augen sich gestemmt haben die letzten Jahre, trotz 80er-Jahre-Revival, bis jetzt, bis zu einer Meldung von vorgestern. Denn wenn die Agenturen schon melden: „Die Leggings sind wieder da“, ist das bedrohlich. Die Agenturen melden zum Beispiel nie: „Neonfarben sind wieder da“, oder: „Achtung! Im Herbst den Nagellack weglassen!“

Leggings, so sah ich im Internet, hat bei Google fast viermal so viele Einträge wie Johannes Rau. Nicht übel für eine miese kleine Wollschlange, die seit 20 Jahren keiner vermisst hat. Denn Leggings machen aus dünnen Beinen Lakritzschnüre und aus dicken Beinen Kanonenrohre. Noch eine verlässliche Angabe? Sie standen nie jemandem, der nicht gerade ein Plie an einer Ballettstange vollführte. An realen Orten, ohne Musik, dafür mit frischer Luft und Tageslicht, waren Leggings eine der unnötigsten Dehnungen, in die sich die Mode seit der Erfindung von Elasthan begeben hat.

Rebecca Casati ist Buchautorin („Die Stilkritik – Wie sehen Sie denn aus“), Kolumnistin und bei der Süddeutschen Zeitung Redakteurin für Mode und Stil.

Rebecca Casati

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