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In Scharen werden vor allem US-Bürger bald auf die Insel strömen und unter anderem die Tourismusbranche ankurbeln. Von Miama aus ist es nur eine halbe Flugstunde bis nach Havanna.

© Reuters

Zeitenwende: Cuba libre

Lange war die kommunistische Insel durch US-Sanktionen isoliert. Die Zeit schien stehengeblieben. Die Annäherung der alten Feinde wird Kuba in die Neuzeit katapultieren – und Begehrlichkeiten wecken.

Nichts fürchtete Revolutionsführer Fidel Castro mehr als eine Invasion der USA auf Kuba. Die Erfahrung der gescheiterten Schweinebucht-Invasion 1961 hat die ersten Jahrzehnte der kommunistischen Insel geprägt. Amerika, das war stets der Feind. Dort war der bitterböse Kapitalismus zu Hause.

Schon bald aber werden nun diese bösen kapitalistischen Amerikaner in Scharen kommen und damit wird nichts mehr so sein, wie es bislang ist auf der Insel, die wie ein Relikt des Kalten Krieges wirkt. Die technologisch rückständig ist, dafür aber ein großes Potential an gut ausgebildeten Akademikern besitzt. Eine Insel, die den Charme eines riesigen Freilichtmuseums versprüht, in dem die Zeit stehengeblieben scheint und das für potentielle Investoren schon bald eine spannende Spielweise werden könnte. Die US-Handelskammer jedenfalls, so heißt es, glaubt bereits an neue Märkte.

Ab sofort gelten neue Reisebestimmungen für das bislang verbotene Land, auch der Handel zwischen den USA und Kuba soll erleichtert werden. Zwar gibt es immer noch ein generelles Reiseverbot, doch nun reicht die Angabe einfacher Gründe aus, um dieses Verbot zu umgehen. Für die Kubaner bedeutet das: Es werden in absehbarer Zeit Heerscharen von Touristen auf die Insel strömen, sie werden US-Dollar mitbringen und die Preise in die Höhe treiben. Und Kuba wird endlich technologischer: Mobiltelefone, Fernseher, Computer, Software und Speichermedien dürfen ab sofort importiert werden.

Schon jetzt gibt es auf Cuba eine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die Kubaner, die auf der Straße zu einer Umfrage bereit sind, zeigen sich hoffnungsvoll: Die Ankündigungen machten ihn zuversichtlich, sagte der Informatiker Carlos Alberto (31) in Havanna der traditionell Kuba-kritischen Tageszeitung „El Nuevo Herald“. Er hoffe auf eine „frische Kapitalspitze und wirtschaftlichen Aufschwung“ vor allem für kleinere Unternehmen. Das unabhängige Nachrichtenportal 14ymedio.com der regimekritischen Bloggerin Yoani Sanchez berichtet von einer großen Euphorie unter den Kubanern, bei denen sich die Nachrichten via Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiten.

Doch mit dem Wandel werden auch Begehrlichkeiten geweckt, die den Durchschnittskubaner überfordern könnten. Schon jetzt gibt es eine Zwei-Klassengesellschaft zwischen reichen Touristen, die vornehmlich aus Europa kommen, und den Kubanern. Diese Kluft wird wachsen. Es wird Gewinner des Wandels und Verlierer geben. Dass die US-Amerikaner mit ihrem Kurswechsel auch handfeste politische Ziele verfolgen, gibt Finanzminister Jacob Lew unverhohlen zu. Die erfolglose Embargo-Politik wird nun durch eine Politik des Austausches und des Handels ersetzt. US-Präsident Barack Obama sagte bei seiner historischen Ankündigung vor ein paar Wochen, dass jeder US-Amerikaner, der künftig nach Kuba reise, auch ein Botschafter des US-amerikanischen Systems sei. Allerdings gilt das auch umgekehrt: Die Art und Weise, wie die US-Amerikaner in Havanna und im Rest des Landes empfangen werden, wird entscheidend dafür sein, ob sich das Kuba-Bild in den USA ändern wird.

Unter US-Flagge radelt dieser Fahrrad-Taxifahrer durch Havanna.
Unter US-Flagge radelt dieser Fahrrad-Taxifahrer durch Havanna.

© AFP

Kubas kommunistische Machthaber, die vor kurzem mit der Freilassung zahlreicher Dissidenten ihren Teil der Verpflichtungen erfüllten, wandeln auf einem schmalen Grat. „Wir werden unsere Ideale nicht verraten“, versprach Kubas Staatspräsident Raul Castro seinen Anhängern, wobei unklar ist, wie viele Anhänger es tatsächlich gibt, denn auf Kuba ist nur eine Partei erlaubt. Castro schickt sein politisches System in einen Wettkampf mit einem Gegner, den er eigentlich nicht bezwingen kann: dem US-Dollar. Der wird nun deutlich intensiver auf die Insel strömen und das Preisgefüge und die Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Geldüberweisungen an Verwandte in Kuba sollen nicht mehr bei 2000 Dollar, sondern erst bei 8000 Dollar jährlich gedeckelt werden. Auf diese Weise werden die Verwandten im Ausland zu kleinen Mini-Investoren. Ob sich daraus eine Landschaft von Micro-Unternehmen bilden kann, wird die Zukunft zeigen. Darin liegt eine große Chance für den Aufbau von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es in Kuba bereits durch erste Reformen in den vergangenen Jahren in bislang geringer Anzahl gibt.

Die Tabakfabriken können zu den großen Gewinnern zählen

Gewinner werden unter anderem die kubanischen Tabakfabriken sein, denn das absolute Importverbot für kubanische Zigarren ist in den USA ab sofort aufgehoben. Gerade der Export des wohl kubanischsten aller Produkte könnte vor allem symbolisch zu einem der wichtigsten Faktoren eines wirtschaftlichen Aufschwungs auf der Insel werden, und die kubanische Regierung wird sich bald von ihren neuen US-Kunden kritische Fragen über die Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne gefallen lassen müssen. Auch die Tourismusindustrie birgt ein riesiges Potential, das allerdings nur mit ausländischen Investoren ausgeschöpft werden kann. Havanna mit all seinen historischen Bauten und Oldtimern ist eine Perle von unschätzbarem touristischen Wert, aber auch von großem Konfliktpotential: Wie in allen historischen Altstädten der Welt wird auch dort das Leben und Wohnen teurer, wenn erst einmal die Gebäude saniert und restauriert sind.

Die US-Fluglinien stehen schon in den Startlöchern, United Airlines kündigte an, direkte Flüge von Houston und Newark (New Jersey) nach Kuba anbieten zu wollen. Vor allem in der Exil-Kubaner-Hochburg Miami werden die Fluglinien und Reiseanbieter schon kräftig durchgerechnet haben, welches Potential in den Kurzstreckenflügen steckt. Luftlinie 366 Kilometer oder umgerechnet eine knappe halbe Flugstunde liegen zwischen den beiden Millionenstädten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nun werden sie enger zusammenrücken, und was daraus wird, ist noch gar nicht abzusehen.

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