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Zensur oder Schutz der Würde?: Indien: Gericht verbietet Dokumentarfilm mit Interview von Vergewaltiger

Ein Dokumentarfilm, in dem ein Massenvergewaltiger in Indien zu Wort kommt, soll dort verboten werden. Die Regierung sagt, damit die Würde der Frauen schützen zu wollen - die Filmemacherin spricht von Zensur.

Ein indisches Gericht hat die Ausstrahlung einer Dokumentation über die tödliche Vergewaltigung einer Studentin verboten. Zur Begründung erklärten die Richter am Dienstagabend, der "anstößige" Film zeige ein "sehr strittiges Interview" mit dem zum Tode verurteilten Vergewaltiger Mukesh Singh und bedrohe die öffentliche Ordnung. Innenminister Rajnath Singh verteidigte am Mittwoch im Parlament ausdrücklich die Entscheidung: Die Worte eines der Vergewaltiger in dem Film seien "in hohem Maße herabwürdigend" und ein "Angriff auf die Würde der Frauen". Die britische Regisseurin des Films, Leslee Udwin, sprach dagegen von "willkürlicher Zensur".

Der indische Fernsehsender NDTV wollte den Film "India's Daughter" (Indiens Tochter) eigentlich zum internationalen Frauentag am Sonntag ausstrahlen. Am selben Tag soll er auch in sechs anderen Ländern zu sehen sein. Der Fall der 23-jährigen Studentin hatte Ende 2012 weltweit für Empörung gesorgt. Die junge Frau war in Anwesenheit ihres männlichen Begleiters von einer Gruppe Männer in einem Bus in Neu Delhi so schlimm misshandelt und vergewaltigt worden, dass sie knapp zwei Wochen später ihren Verletzungen erlag.

Gesetze wurden verschärft

In Indien wurde daraufhin bei Massenprotesten die alltägliche Gewalt gegen Frauen verurteilt. In der Folge wurden auch die Gesetze zur Verurteilung von Vergewaltigern verschärft. Aktivisten beklagen jedoch, dass sich nur wenig geändert habe.

In dem Dokumentarfilm kommt einer der Vergewaltiger ausführlich zu Wort. In dem im Gefängnis geführten, verstörenden Interview gibt er dem Opfer die Schuld an der Tat. Eine Frau sei "weitaus mehr verantwortlich für eine Vergewaltigung" als ein Mann.

Die Studentin hätte "nicht abends um 21.00 Uhr herumstreunen" sollen. Nach Angaben von Filmemacherin Udwin zeigte der Mann "nicht eine Sekunde lang Reue". Aktivisten zufolge sind derartige Auffassungen tief in der indischen Gesellschaft verankert.

Udwin zeigte sich überzeugt, dass NDTV das Verbot anfechten werde. Meinungs- und Redefreiheit seien auch in Indien ein hohes Gut, fügte Udwin hinzu. Im Übrigen verhelfe das Verbot ihrem Film nur zu mehr Publizität. Jetzt wollten alle ihn sehen. NDTV äußerte sich zunächst nicht. (AFP, rok)

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