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Zugunglück bei Hordorf: Todesstrecke sollte 2011 saniert werden

Nach dem Zugunglück in Sachsen-Anhalt besteht gegen den Lokführer des Güterzuges der "Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung". Moderne Sicherheitstechnik hätte den Unglückszug wohl gestoppt.

Es war von Beginn an rätselhaft. Als in Hordorf Samstagnacht ein Regionalexpress und ein Güterzug mit Tempo 80 zusammenstießen, wurden zehn Menschen sofort getötet und 23 zum Teil schwer verletzt. Alle waren sie Insassen des Personenzuges. Der Lokführer des Güterzuges hingegen zog sich lediglich Prellungen zu. Staatsanwaltschaft und Polizei haben am Montag mitgeteilt, gegen den Mann zu ermitteln. Es bestehe der „Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung“.

Bei den Ermittlungen nach dem schweren Zugunglück in Sachsen-Anhalt stützen sich Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt auf Zeugenaussagen, wonach der Lokführer sich während des Aufpralls auf der zweiten Lok befunden haben soll. Ob der Lokführer wegen des herannahenden Regionalexpress dorthin geflüchtet sei oder sich vorschriftswidrig dort aufhielt, ist nicht bekannt. Der Mann konnte wegen eines Schocks bisher nicht vernommen werden. Ein Sprecher der Salzgitter AG, für deren Tochtergesellschaft VPS der 2700 Tonnen schwere Güterzug mit 32 Waggons unterwegs war, wies aber darauf hin, dass es Zugführern strikt verboten sei, sich in der hinteren Lok aufzuhalten. Der 40-Jährige habe sich auf der Unglücksstrecke gut ausgekannt.

Als weitere Unfallursache wird auch das Überfahren eines Haltesignals für möglich gehalten. Der Güterzug hätte an einer Überleitstelle in Hordorf, an der die sonst eingleisige Strecke auf etwa 300 Metern zweigleisig ist, zum Stehen kommen müssen. Die nötige Sicherheitstechnik, die das hätte verhindern können, fehlt an dieser Strecke. Ein Fahrdienstleiter, der an der Strecke in einem Häuschen sitzt, stellt die Weichen und das Signal per Hand.

Die schlechte Sicherheitsausstattung der 58 Kilometer langen Verbindung zwischen der Landeshauptstadt Magdeburg und Halberstadt war seit langem bekannt. Das Bundesverkehrsministerium geht aber nicht von einem Fehler der Deutschen Bahn als Netzbetreiber aus. Dennoch hatten sich bereits 2007 Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) und Vertreter der Bahn auf die Sanierung der Strecke geeinigt. 30 bis 50 Millionen Euro sind als Investitionssumme eingeplant. Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometer sollen möglich sein. „In diesem Jahr soll mit dem Ausbau begonnen werden“, sagte Bahn-Sprecherin Änne Kliem. Für die Opfer vom Samstag kommt er zu spät.

Am Unglücksort selbst lief die Ursachenforschung auf Hochtouren. Die Identifizierung der Todesopfer gestaltet sich unterdessen weiter schwierig. Viele der Fahrgäste hatten keine Ausweise dabei. Von den zehn Todesopfern konnten bis zum Montag erst drei zweifelsfrei identifiziert werden, sagte der Polizeisprecher. Dabei handelt es sich um zwei Männer aus der Harzregion im Alter von 63 und 74 Jahren sowie den Lokführer des Regionalexpress.

Die anderen sieben Todesopfer sind nach Polizeiangaben durch ihre Verletzung so entstellt, dass eine Identifizierung nur schwer möglich ist. Laut Polizei unterstützen Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) die Ermittlungen und die Identifizierung der Toten.

Der Zustand des zehnjährigen Mädchens, dass sich am Sonntag noch in akuter Lebensgefahr befand, ist hingegen mittlerweile stabil. Das teilte das Ameos-Klinikum in Halberstadt mit. Alle fünf in Halberstadt behandelten Verletzten müssten aber noch intensiv medizinisch betreut werden. Insgesamt wurden bei dem Unglück 23 Menschen zum Teil schwer verletzt. Fünf sind nach Angaben des Magdeburger Innenministeriums Ausländer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren. Vier von ihnen kommen aus Georgien, Kasachstan, Portugal und Brasilien.

Nach Polizeiangaben waren Spezialkräfte bis zum Montagmorgen damit beschäftigt, den fast völlig zerstörten Harz-Elbe-Express (HEX) mit Schweißbrennern und Trennschleifern in transportfähige Größe zu zerlegen, ohne dabei mögliche Spuren zu zerstören.

Auf Tiefladern wurde der in Einzelteile zerlegte Triebwagen ins nahe gelegene Halberstadt transportiert. Dort sollen die Wrackteile weiter von Experten untersucht werden. Die Untersuchungen finden beim Unternehmen Verkehrs-Industrie-Systeme GmbH (VIS) statt. Das Unternehmen stellt Schienenfahrzeuge her und ist unter anderem mit der Wartung der HEX-Züge betraut. Neben den Wrackteilen werden in Halberstadt auch die beiden Dieselloks des Güterzuges untersucht. „Die Kriminaltechnik ist dabei, nach möglichen technischen Fehlern zu suchen“, sagte ein Polizeisprecher. Auch die Auswertung der aus beiden Lokomotiven geborgenen Fahrtenschreiber ist noch nicht abgeschlossen. Nach Polizeiangaben kann die Auswertung noch bis Ende der Woche andauern.

Mathias Kasuptke

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