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Panorama: Zum Geburtstag gibt’s „Aida“ satt

Die Arena von Verona feiert ihr 100. Jubiläum mit gleich zwei Inszenierungen der Oper.

Berlin - Als 1913 der Dirigent Tullio Serafin und der Tenor Giovanni Zenatello darüber grübelten, wie man den anstehenden 100. Geburtstag des italienischen Nationalkomponisten Giuseppe Verdis angemessen begehen könnte, hatte der Sänger eine geniale Idee: Wie wäre es mit einer Aufführung der Oper „Aida“ in der Arena von Verona! Welcher Ort wäre der Größe des Maestro angemessener als das besterhaltene Amphitheater der Welt. Während das Kolosseum von Rom über Jahrhunderte als Steinbruch genutzt wurde, pflegten die Veroneser ihr Erbe aus dem Jahr 69 nach Christus, einen Prachtbau von 75 Metern Länge und 44 Metern Breite, in dem 15 000 Zuschauer Platz finden. In Südfrankreich hatte Zenatello Bühnenspektakel im antiken Theater von Orange erlebt, die ihn sehr beeindruckten. So ein Event sollte es nun auch zu Ehren Verdis geben.

Am 13. August war es dann so weit: 800 Chorsänger und Statisten wurden aufgeboten, um beim berühmten Triumphmarsch die 1500 Quadratmeter große Bühne zu füllen, 20 schwarze Sklaven und 30 berittene Soldaten begleiteten den Feldherrn Radames. Den sang natürlich der Initiator Giovanni Zenatello höchst selbst. Mit diesem umjubelten Abend begann die Erfolgsgeschichte des größten Freiluft-Opernfestivals der Welt, die nur von den beiden Weltkriegen noch einmal unterbrochen werden sollte. Zunächst fanden 40 Aufführungen innerhalb von drei Wochen statt, heutzutage erstreckt sich die Sommersaison mit fast sechzig Opern- und Konzertabenden vom 14. Juni bis 8. September. Ganz wie zu Anfang verhält es sich dagegen mit den Eintrittspreisen. 1913 musste man für einen Sessel im Innern der Arena 15 Mal so viel berappen wie für ein Plätzchen auf den Steinstufen. In diesem Sommer sitzt man auf den obersten Reihen für zehn Euro, der Parkettsitz dagegen kostet an Wochentagen 153 Euro. Dementsprechend variiert auch die Atmosphäre innerhalb des Zuschauerovals: Auf den billigen Rängen geht es familiär und volkstümlich zu. Unten im Innern der Arena versammeln sich Herrschaften in Abendgarderobe, um den Arien und Chören so andächtig zuzuhören wie in einem geschlossenen Opernhaus.

Weil über die szenische Qualität der opulent ausgestatteten Arena-Inszenierungen gern und viel gelästert wird, hat sich das Management für die Jubiläumssaison etwas Besonderes ausgedacht: „Aida“ wird gleich in zwei Produktionen geboten. Für konservativ veranlagte Fans hat man die historische „Aida“ von 1913 in ihrem ganzen ägyptischen Pomp rekonstruiert. Wer es moderner mag, wählt dagegen die Version der katalanischen Eventtheatertruppe La Fura dels Baus, mit der das Festival am Freitag eröffnet wurde.

Auf eine „ultramoderne“ Version des Pharaonen-Dramas hatte sich die italienische Tageszeitung „Corriere della sera“ im Vorfeld gefreut – und tatsächlich wartet die Produktion mit jeder Menge spektakulärer Schaueffekte auf. Da blendet viel glänzendes Metall die Zuschauer, hohe Gerüste ragen in den Himmel auf, und wenn Aida und Radames zum Unhappy End lebendig in einer Grabkammer eingemauert werden, dann blitzen die Wände dieser Todeszelle in eiskalter Stahloptik. Die Kostüme sehen nach Sciencefiction aus, technoide Elefanten und Kamele treten auf, die aus Eisenteilen zusammengeschraubt sind. Magische Leuchtkugeln werden herumgetragen, Fackeln flackern, selbstverständlich gibt es auch die obligatorischen Aufmärsche der Chormassen. Ein klassisch typisches Verona-Spektakel also, nur eben im modernistischen Outfit.

Neben den beiden „Aidas“ sollen noch fünf weitere Opernproduktionen und vier Konzerte bis zu einer halben Million zahlende Gäste anlocken – und der Arena einen Umsatz von rund 23 Millionen Euro bescheren. Mit Ausnahme von Charles Gounods „Roméo et Juliette“ – als Hommage an das berühmteste Liebespaar der Stadt – stammen alle Stücke von Giuseppe Verdi: Placido Domingo, der als „künstlerischer Ehrenleiter“ fungiert, wird im „Nabucco“ auf der Bühne stehen und eine Aida à la 1913 sowie zwei Galas dirigieren. Die „trilogia popolare“ aus „Rigoletto“, „Traviata“ und „Trovatore“ vervollständigt das musikalische Angebot.

Giovanni Zenatello übrigens, der tenorale Festivalerfinder, hat kurz vor seinem Tod noch eine künstlerische Heldentat vollbracht: 1947 arrangierte er das Arena-Engagement einer jungen, völlig unbekannten Griechin für die Hauptrolle in Amilcare Ponchiellis Oper „La Gioconda“. Ihr Name: Maria Callas.

Das ZDF zeigt einen Mitschnitt der „Aida“-Premiere am heutigen Sonntag ab 22 Uhr.

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