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So kämpfte Karlheinz Böhm gegen die Armut. Mit seiner vierten Frau Almaz Böhm vor einem Plakat seiner Stiftung „Menschen für Menschen“.

© dpa

Zum Tod von Karlheinz Böhm: Der Märchenkaiser als Menschenfreund

Der Schauspieler und Entwicklungshelfer Karlheinz Böhm hat seinen Ruhm für die Hilfe genutzt. Nun starb er mit 86 Jahren. Sein Leben und seine Filmkarriere erlebten erstaunliche Wendungen.

Karlheinz Böhm? Das Erste, was jedem zu diesem Namen einfällt, ist „Sissi“, bis heute. Immer noch laufen die Filme so ziemlich jedes Jahr im Fernsehen, gerne zur Weihnachtszeit. Der attraktive, stattliche Kaiser Franz Joseph an der Seite der fröhlichen, unbefangenen Romy Schneider, das ist, das war Karlheinz Böhm. Ein König, ein Kaiser der Herzen, einer, der die Liebe über die Staatsgeschäfte stellt, der aus der Rolle fällt, um ihr ein menschliches Antlitz zu verleihen – der österreichische Schauspieler hätte sich auf diesen Lorbeeren ausruhen können. Mit den Jahren wäre er vielleicht im „Tatort“ angekommen oder in TV-Movies über die jung gebliebenen Alten des 21. Jahrhunderts, und alle hätten ihn dafür geliebt.

Unbehagen ob des Ruhms wegen "Sissi"

Aber Karlheinz Böhm muss schon in den 50er Jahren ein Unbehagen ob des „Sissi“-Ruhms und seines wohlgefälligen Images empfunden haben. Er wollte etwas anderes als heile Welt vorspiegeln, nach einem ersten Engagement im Burgtheater noch in den Vierzigern, nach Filmen mit Titeln wie „Das Schloss in Tirol“, „Das haut einen Seemann doch nicht um“ und „Das Dreimäderlhaus“. Anders lässt es sich jedenfalls kaum erklären, dass er 1959 unter der Regie des Briten Michael Powell für „Peeping Tom“ vor der Kamera stand. Der schöne Kaiser als Spanner, Lüstling und Frauenmörder, das wollten seine Fans nicht sehen. Der Film machte Skandal, wurde in Deutschland zensiert – und Böhms Karriere als Publikumsliebling war beendet.

So sehen ihn die Äthiopier. Ein Denkmal für Böhm in Addis Abeba.
So sehen ihn die Äthiopier. Ein Denkmal für Böhm in Addis Abeba.

© dpa

Aber nicht seine Filmkarriere: „Peeping Tom“ ist längst als Meisterwerk rehabilitiert. Dass Böhm in den 70er Jahren dann noch einmal auf der Leinwand Furore machte, verdankte der 1928 geborene, in verschiedenen Städten aufgewachsene Sohn der Sopranistin Thea Linhard und des Dirigenten Karl Böhm auch Rainer Werner Fassbinder. So wie Fassbinder die weiblichen Boulevardstars in sein Autorenkino integrierte, so wie er U und E, Melodram und Sozialrealismus vereinte, so kam er auch mit Karlheinz Böhm zusammen. Vier Mal stand der Schauspieler vor Fassbinders Kamera, in „Faustrecht der Freiheit“ und vor allem in „Martha“.

Da spielte Karlheinz Böhm Helmut, einen gestandenen Ingenieur, der die junge, auch in sexuellen Dinge unbedarfte Martha heiratet – Sissi lässt grüßen. Legendär die 360-Grad-Kamerafahrt von Michael Ballhaus rund um Margit Carstensen und Böhm, legendär Böhms Ingenieur, in dessen Figur sich Kaiser Franz und Peeping Tom wie in einem Vexierbild überlagern. Denn „Martha“ ist keineswegs „Sissi“, sondern schildert das Drama einer Unterwerfung. Mit Böhm als freundlich lächelndem, eiskaltem Sadisten, der sich die junge Gattin hörig macht. Das ist die andere berühmte Karlheinz-Böhm-Filmszene: Wie die liebessehnsüchtige Martha sich in den Flitterwochen einen Sonnenbrand zuzieht, wie sie krebsrot nackt auf dem Bett liegt – und sich ihr Gatte ausgerechnet jetzt auf sie stürzt.

Karlheinz Böhm, der abgründige Charakterdarsteller

Böhm, der Perversling, der abgründige Charakterdarsteller, der Autorenkinostar, das war 1974. Zwei Jahre später, bei einem Kuraufenthalt in Kenia, begann eine noch radikalere Kehrtwende. Du musst dein Leben ändern, es gab da diese innere Stimme. Ihn packte eine riesige Wut. Auf den Hunger, das Elend, die Ungerechtigkeit, das wahnsinnige Gefälle zwischen Arm und Reich. Die Wut ließ ihn nicht los, er konnte nicht mehr aufhören hinzuschauen. Anfang der achtziger Jahre ging der Schauspieler, der in über 40 Filmen aufgetreten war, von „Der Engel mit der Posaune“ (1948) bis zu Fassbinders „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“, damit in die Öffentlichkeit, in „Wetten, dass..?“. Nachdem er bei der Sendung am 16. Mai 1981 mehr als 1,2 Millionen Mark an Spendengeldern zusammenbekommen hatte, ging er nach Äthiopien. Bereits im November gründete er in Deutschland die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“. Böhms neues Leben bestand fortan aus dem Bau von Krankenstationen, Schulzentren, Ausbildungsstätten, Wasserstellen, Brunnen und Straßen. Und aus dem intensiven Werben um weitere Spenden – Beginn einer filmreifen Erfolgsgeschichte des Helfens.

So sehen ihn die Deutschen. Böhm mit Romy Schneider im Sissi-Film.
So sehen ihn die Deutschen. Böhm mit Romy Schneider im Sissi-Film.

© DAVIDS

„Menschen für Menschen“ startete Kampagnen zur Aids-Aufklärung, gegen die traditionelle Beschneidung von Mädchen, gegen Kinderhochzeiten. Mehr als 140 000 Menschen nahmen an Alphabetisierungskampagnen teil. Bis 2007 nahm die Organisation mehr als 300 Millionen Euro ein; Böhm selber arbeitete ehrenamtlich. In einer Jubiläums-Show von „Wetten, dass...?“ wettete Böhm 2006 erneut. Das Ergebnis: mehr als zwei Millionen Euro an Spenden.

Seit der Gründung seiner Stiftung lebte Karlheinz Böhm mehrere Monate im Jahr in Äthiopien unter einfachen Bedingungen. Hier lernte er auch seine vierte Ehefrau Almaz kennen, eine studierte Agrarökologin, für ihn „das Glück meines Lebens“. Das Paar bekam zwei Kinder, Nicholas und Aida. Aus seinen ersten drei Ehen hatte Böhm bereits fünf Kinder. Die heute 49-Jährige sollte Böhms Nachfolgerin werden; seit 2012 ist sie Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Vorwürfe um finanzielle Unregelmäßigkeiten hat sie 2013 widerlegen können. Da war Karlheinz Böhm bereits an Alzheimer erkrankt.

Am Donnerstagabend ist der Schauspieler und Ehrenbürger Äthiopiens im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Grödig bei Salzburg gestorben. In seinem langen zweiten Leben in Äthiopien war er ein „Abbo“ geworden, ein Vater für viele.

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