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„Ich werde verfolgt, renne und renne, immer höher und höher hinauf.“ Maximilian Schell, Schauspieler, Regisseur, Autor und Filmemacher. Fotos: dpa (6)

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Zum Tod von Maximilian Schell: Der Künstlernomade

Intelligent und glamourös: Der Schauspieler und Oscar-Preisträger Maximilian Schell ist tot. Der Lebemann war auch ein rastloses Arbeitstier. Mehr als 100 Titel enthält seine Filmografie.

Er war der Erste. Der erste deutschsprachige Schauspieler, der nach dem Zweiten Weltkrieg einen Oscar als bester Hauptdarsteller gewann. Und das ausgerechnet für seine Rolle in einem Film, der sich mit den Verbrechen der Deutschen während des Nationalsozialismus beschäftige: Stanley Kramers Gerichtsdrama „Das Urteil von Nürnberg“ von 1961. Der blendend aussehende Schell spielt darin einen Verteidiger, der sich als jugendlicher Idealist zwischen versteinerten alten Männern behauptet und im Schlussplädoyer mit wehender Haartolle das Maß der Verstrickung zu relativieren versucht: „Deutschland allein ist nicht schuldig.“ Zum Staraufgebot des Films gehörten Spencer Tracy, Burt Lancaster, Richard Widmark und Montgomery Clift. Der Oscar jedoch ging an Maximilian Schell, er legte den Grundstock zu seiner Hollywood-Karriere.

Die Vergangenheit zum Sprechen bringen

Die Vergangenheit zum Sprechen bringen, war eine der Spezialitäten von Maximilian Schell, der nicht nur als Schauspieler und Moderator, sondern auch als Opernregisseur, Produzent, Autor und Filmemacher arbeitete. Besonders seine Dokumentationen lagen ihm am Herzen. Er war der Einzige, der es geschafft hat, die extrem zurückgezogen in Paris lebende Marlene Dietrich 1984 zu Interviews zu überreden. Kennengelernt hatten die beiden sich bei den Dreharbeiten zu „Das Urteil von Nürnberg“. Einen noch intimeren, anrührenden Film hat Maximilian Schell 2003 seiner 2005 verstorbenen, vier Jahren älteren Schwester Maria Schell gewidmet. „Meine Schwester Maria“ zeigt, wie der inzwischen demente ehemalige Filmstar auf einer Alm in Kärnten sitzt und milde lächelnd im Fernsehen ihre Kinoerfolge der Nachkriegsjahre anschaut – ganz offensichtlich schon Bewohnerin einer ganz anderen Welt.

Der weltabgeschiedene Berghof in Kärnten war der von Maximilian Schell. Hier verbrachte er auch seine Kindheit. „Die Alm ist einer meiner Ankerpunkte“, sagte er einmal. „ Hier spüre ich die Verbindung zur Familie. Das ist etwas, das bleibt. Von hier aus pendelte er viele Jahre regelmäßig nach Los Angeles, seinem zweiten Wohnsitz. Die Verbindung in die USA hat er in der Zeit der Bush-Regierung gekappt. „Es war nicht mehr das freie und kreative Land, das ich kannte.“ Trotzdem hatte er weiter viele Kontakte nach Hollywood. Schell ist einer der Taufpaten von Angelina Jolie. Ihr Vater Jon Voight spielte 1975 in Schells Dürrenmatt-Verfilmung „Der Richter und sein Henker“ eine Hauptrolle. Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt wiederum war einer von Schells engsten Freunden.

Er spielte den Hamlet in Gründgens legendärer Abschiedsinszenierung

Geboren wurde Maximilian Schell am 8. Dezember 1930 in Wien, wuchs aber in der Schweiz auf. Sein Vater war der Schweizer Schriftsteller Hermann Ferdinand Schell, seine Mutter die österreichische Schauspielerin Margarete Noé von Nordberg. Alle vier Kinder ergriffen den Schauspielberuf. Maximilian Schell nicht, ohne vorher Kunst- und Literaturgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft studiert zu haben. „Ich bin kein Erfolgsmensch und kein Bühnenmensch. Ich bin Student und das bleibt auch so“, hat er noch im Jahr 2008 gesagt. Er debütierte 1952 am Basler Stadttheater, landete dann an den Münchner Kammerspielen und wurde von Gustav Gründgens an das Hamburger Schauspielhaus geholt. Dort spielte er 1963 den Hamlet in Gründgens legendärer Abschiedsinszenierung.

Einen klar definierten Beruf haben, sich in enge künstlerische Kategorien finden, war Maximilian Schells Sache nicht. „Ich wandere durch das Leben und durch alle Bereiche der Kunst.“ Und zwar mit Großschauspielergeste, im wehenden Mantel und einem dekorativ umgeschlungenen Schal. Den notorischen Schal- Look pflegte der sonore Bariton mit Weltstarappeal im Fernsehen nicht nur als gern geladener Talkshowgast, sondern auch als geschichtskundiger Plauderer in der ZDF-Dokumentarreihe „Terra X“, wo er die Zuschauer durch die Weltreiche von Kalifen, Shogunen und Cäsaren führte. Ein charismatischer Märchenonkel und Universalgelehrter in einem.

An Aura und Glamour hat es dem Frauenschwarm auch im wirklichen Leben nie gemangelt. Maximilian Schell, der in der Fernsehserie „Der Fürst und das Mädchen“ als greiser Gatte einer schönen jungen Frau zu sehen war, hatte ein ähnliches Modell im vergangenen August gewählt. Da heiratete der 82-Jährige zur Begeisterung der Yellow Press seine 47 Jahre jüngere Freundin, der Opernsängerin Iva Mihanovic. Aufsehen erregte auch eine drei Jahre andauernde Liaison mit Soraya, der Ex-Gattin des letzten Schahs von Persien.

An Beschäftigung hat es dem nach eigener Aussage rastlos tätigen Schell nie gemangelt. „Alles, was mir am Herzen liegt, kann ich umsetzen.“ Allein seine Filmografie umfasst mehr als 100 Titel, er spielte Peter den Großen, Lenin, Albert Einstein, Musketiere und Pharaonen. Erst im vorletzten Jahr hatte er seine selbst verfassten Lebenserinnerungen herausgebracht. In der Autobiografie eines Künstlernomaden „Ich fliege über dunkle Täler“ erzählt er von der Flucht der Familie vor den Nazis, vom Schweizer Exil, von seinen Anfangsjahren als Schauspieler, dem internationalen Durchbruch, von Dreharbeiten mit Marlon Brando, Judy Garland oder Orson Welles und von einem immer wiederkehrenden Traum, den er schon als Junge hatte. „Ich werde verfolgt, renne und renne, immer höher und höher hinauf. Schließlich stehe ich oben und realisiere: Ich kann nicht mehr weiter. Plötzlich fällt mir ein: Ich kann ja fliegen. Ich schwinge mich von der Brüstung ins Bodenlose. Flieger über dunkle Täler. Ich bin frei.“

Maximilian Schell ist in der Nacht von Freitag auf Samstag in Innsbruck gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.

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