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Februar 2014. Die Polizei nimmt Joaquín Guzmán fest und feiert das als großen Erfolg. Jetzt ist er wieder ausgebrochen.

© dpa

Zum zweiten Mal: Mexikanischer Drogenboss "El Chapo" Guzmán ausgebrochen

Mexikos mächtigster Drogenboss foppt erneut die Regierung: Zum zweiten Mal schon entkommt Joaquín "El Chapo" Guzmán einem Hochsicherheitsgefängnis. Die Behörden lösten Großalarm aus.

Er war der meistgejagte Drogenboss Mexikos, und seine Verhaftung im Februar 2014 war der größte Sieg der Regierung im Kampf gegen die Mafia. Doch lange hielt es Joaquin alias „El Chapo“ Guzmán nicht im Hochsicherheitsgefängnis Altiplano aus. Am Wochenende entkam er – wieder einmal. Zuletzt sei er im Duschbereich gesehen worden, erklärte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates am Sonntag. Die Regierung löste Alarm aus, der Verkehr auf den Straßen der Region wurde den Angaben zufolge genauestens kontrolliert, Flüge vom nahegelegenen Flughafen Toluca wurden ausgesetzt. Guzmán foppte schon zum zweiten Mal die Behörden. 2001 floh er nach sieben Jahren Haft versteckt in der Schmutzwäsche aus einem anderen Hochsicherheitsgefängnis – das Gefängnispersonal hatte von ihm ein monatliches "Taschengeld" von bis zu umgerechnet 15.000 Euro erhalten.

Misstrauisch wie er ist,bleibt er nie lange an einem Ort

Es gibt unzählige Balladen und Legenden über den mexikanischen Paten. Eine davon erzählt, wie er ein Restaurant in der Stadt Culiacán schließen ließ und allen Anwesenden ein opulentes Essen spendierte, nachdem sie für die Dauer des Gelages ihre Handys und Autoschlüssel abgegeben hatten. Zur Hochzeit mit seiner dritten Frau, einer gerade volljährig gewordenen Schönheitskönigin, kamen 2007 einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Proceso" zufolge Politiker, Staatsanwälte und Polizeichefs. Per Hubschrauber und Geländewagen, denn die Feier fand in einer unzugänglichen Bergregion statt. Der Bräutigam sei nur zur Hauptzeremonie erschienen, habe mit einigen Autoritäten angestoßen und gegessen und sei anschließend als erster wieder abgeflogen. Misstrauisch wie er war, blieb er nie lange am selben Ort.

2009 denunzierte der Erzbischof des Bundesstaates Durango den "Chapo": Er lebe in einer Nachbarstadt. Wenige Tage später waren dort zwei Geheimdienst-Offiziere tot; neben ihnen ein Zettel mit der Aufschrift "weder die Regierung, noch die Priester kommen gegen Chapo an! "Viele jagen ihn, aber noch mehr beschützen ihn", heißt es in einer Narco-Ballade der Gruppe "Tucanes de Tijuana". Da war die Gestalt fast schon enttäuschend, die 2014 den Medien nach der Festnahme vorgeführt wurde: Bauchansatz, 1,55 Meter klein, schwarze, füllige Haare und ein schwarzer Schnurrbart, weißes Hemd und schwarze Jeans. Man würde ihn glatt übersehen, selbst wenn er nebenan im Bus säße. Unterschätzt zu werden war lange die wichtigste Geheimwaffe des 56-jährigen Chefs des Sinaloa-Kartells. Er hat die eher zweitklassige Verbrecherbande zu einer der mächtigsten, kriminellen Mafiaorganisationen der Welt ausgebaut, deren Tentakel bis nach Venezuela, Afrika, Spanien, China, Indien und Australien reichen.

Geboren wurde Guzmán als Sohn armer Bauern in Las Tunas, einem Nest in den Bergen des nordmexikanischen Bundesstaates Sinaloa. Inmitten des "Goldenen Dreiecks", wie das Hauptanbaugebiet für Heroin und Marihuana genannt wird. Eine Region, so unwirtlich, arm und vergessen, dass die Kartelle leichtes Spiel hatten. Jeder dort profitierte vom Drogengeschäft, das in den 50er und 60er Jahren seine Blüte erlebte - bis US-Präsident Richard Nixon den Drogenkrieg erklärte. Von da an nahmen die Razzien zu, und das Militär wurde zum erklärten Feind der Bevölkerung, die Kartelle zu ihrem Wohltäter und Beschützer. In diesem Ambiente wuchs Guzmán auf. Er war acht Jahre alt, als er erlebte, wie ein Militärkommando in das 250-Seelen-Dorf einfiel, Kinder, Frauen und Männer misshandelte und Geld stahl.

Forbes beziffert sein Vermögenauf 1,1 Milliarden US-Dollar

Seine kriminelle Karriere begann Guzmán als Gehilfe des Chefs des Guadalajara-Kartells, Miguel Angel Gallardo. Sein Auftrag war die Logistik, und er erwies sich als derart geschickt darin, die Behörden zu schmieren, dass er rasch aufstieg. Nachdem Gallardo 1989 festgenommen wurde, übernahm Guzmán die Kontrolle über die Geschäfte in Sinaloa. Mit Waffengewalt sicherte er sich die Kontrolle über die Grenzstadt Tijuana, wo er Tunnel graben ließ, um die Drogenlieferungen in die USA zu schmuggeln. 1993 entkam er einem Mordanschlag des verfeindeten Tijuana-Kartells – stattdessen starb Kardinal Juan Jesús Posada im Kugelhagel. Guzmán floh vor dem Medienrummel nach Guatemala, wurde dort aber denunziert und wenige Wochen später gefasst und nach Mexiko ausgeliefert.

Sein eigentlicher Aufstieg zum einem der mächtigsten Drogenbosse und reichsten Männer der Welt – Forbes beziffert sein Vermögen auf 1,1 Milliarden US-Dollar – begann nach seiner Flucht im Wäschewagen. Skrupellos und gewalttätig baute er sein Imperium aus und schickte seine Killer los, um Schlüsselpositionen zu erobern – so wie Ciudad Juárez, wo er zwischen 2008 und 2010 das Juárez-Kartell bekriegte und schließlich besiegte. Doch im Gegensatz zu anderen Kartellen wie den Zetas oder den Tempelrittern ließ Guzmán nicht zu, dass seine Statthalter oder andere Verbrechergruppen Schutzgelder erpressten oder sich mit Entführungen querfinanzierten. Wo er herrschte, war Ruhe, der Bevölkerung spendierte er Dorffeste, und die Behörden waren gut geschmiert. Sogar bis in den Präsidentenpalast reichten seine Kontakte – weshalb die Presse eine Zeitlang vermutete, die Regierung stecke mit dem Sinaloa-Kartell unter einer Decke, weil sie vor allem die gegnerischen Kartelle bekämpfe.

Luxus, Feste, Frauen, Diabetesund ein Herzfehler sind seine Schwachpunkte

Seine Jäger verhafteten Mittelsmänner, hoben ein riesiges Labor zur Herstellung synthetischer Drogen aus – doch der Chef entwischte immer wieder. Sieben Geliebte und gut ein Dutzend Kinder soll er haben."Luxus, Feste, Frauen, Diabetes und ein Herzfehler", sind laut Agenten die Schwachpunkte des Paten. 2012 stellten sie ihm eine Falle mit einem attraktiven Call-Girl. Doch Guzmán erschien nicht zum Rendez-Vous. Über welches Imperium er herrschte, lässt die Liste der bei der Jagd auf ihn sichergestellten Besitztümer erahnen: 43 Fahrzeuge, 19 davon gepanzert, Dutzende von Schnellfeuerwaffen und Granatwerfer, 16 Häuser und vier Gehöfte.

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