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Panorama: Zurück aus der Vergangenheit

Der vor Spanien gesunkene Tanker Prestige soll geborgen werden. An Bord sind noch tausende Tonnen Öl

Das Tankerwrack „Prestige“ vor der spanischen Atlantikküste gleicht einer tickenden Zeitbombe. Noch immer sind die Folgen der schlimmsten Ölkatastrophe Europas an den Stränden des Landes zu spüren. Jetzt, anderthalb Jahre nach der Ölpest, die annähernd 3000 Kilometer Küste verseucht hat, versuchen Bergungsexperten, das restliche Öl aus dem zerbrochenen Rumpf des Wracks zu pumpen, das in rund 4000 Kilometer Tiefe vor der Küste Westspaniens liegt. Eine Rettungsoperation auf hoher See, die mangels Erfahrung und Ausrüstung der Ölbranche für so einen Extremeinsatz mehr als ein Jahr vorbereitet worden ist und rund 100 Millionen Euro kostet.

„Wir mussten Probleme bewältigen, für die es bisher noch keine technischen Lösungen gab“, erzählt Miguel Angel Remon, Ingenieur und Vizechef des Ölkonzerns Repsol, der den Bergungsauftrag bekam. Echte Pionierarbeit wurde geleistet: Futuristische, ferngesteuerte Tiefseeroboter wurden konstruiert. Sowie tonnenschwere Spezialtanks, die vom Bergungsschiff „Polar Prince“ an Ketten 4000 Meter tief ins Wasser bis zum Wrack abtauchen, um das zähflüssige Schweröl aufzunehmen. Rund 14 000 Tonnen befinden sich noch in den zerbrochenen Tanks des riesigen Schiffes, das am 19. November 2002 gesunken war.

Die Tragödie, die sich zur bisher schlimmsten Ölpest der europäischen Geschichte entwickelte, begann am 13. November 2002. Damals funkte der 26 Jahre alte griechische Schrotttanker „Prestige“ vor der spanischen Atlantikküste „SOS“, nachdem sein Rumpf in schwerem Wetter aufgerissen war. Spaniens Regierung fällte daraufhin die verhängnisvolle Entscheidung, den Tanker samt Ölladung in tagelangen Manövern so weit weg wie möglich auf das offene Meer zu schleppen. Die Folge: Immer größere Ölseen im Atlantik, die bald von Portugal bis Frankreich reichten. Am sechsten Tag der Abschlepp-Odyssee versank die „Prestige“. Von 77 000 Tonnen giftigem Öl in den Tanks strömten etwa 63 000 aus.

Auch im zweiten Sommer nach der Katastrophe sind die Folgen des Unglücks an der spanischen Atlantikküste noch zu spüren. Mehrere Tonnen Ölreste werden täglich eingesammelt. vor allem an der Küste Galiziens, Asturiens und Kantabriens. Es sind oft alte Ölklumpen, die bisher auf dem Meeresboden lagerten und nun angespült werden. Auch gibt es versteckte, teerartige Schichten an manchen Stränden, die durch das Spiel von Wind und Wellen plötzlich auftauchen. Hinzu kommen winzige, mit dem Auge nicht wahrnehmbare Ölpartikel, die sich mit dem Sand vermischen und die Fußsohlen zuweilen noch dunkel färben können. Die allerletzten Reinigungsarbeiten an Land muss aber ohnehin die Natur selbst vornehmen: Mit für die Strandbesucher ungefährlichen Bakterien, die im Laufe der Jahre auch die mikroskopisch kleinen Ölrückstände langsam aber sicher verspeisen.

Ralph Schulze[Madrid]

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