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Panorama: Zusammen sind sie bärenstark

Wie bulgarische Hunde ihre Schafsherden schützen – und wie Lumpen Raubtiere verschrecken

Braunbär Bruno ist der Fangtruppe aus Finnland in einem Mobilfunkloch entkommen. Die Bärenexperten seien nicht an ihn herangekommen, sagte eine Sprecherin der Umweltstiftung WWF, weil das Funksignal zu dem Hund abgebrochen ist, der ihn am Mittwochabend gestellt hatte: „Als ob er es wüsste, sitzt er ganz oft in einem Funkloch.“ Die Frist, in der er gestellt, betäubt und gefangen werden sollte, läuft heute ab. Damit könnte auch die Schonzeit für Bruno vorbei sein; Politiker sprechen sich inzwischen für den Abschuss aus. Am Donnerstagmorgen war der Bär, der ursprünglich aus dem italienischen Trentino kommt, wenig Scheu vor Menschen hat und schon mehrere Nutztiere gerissen hat, bei Kufstein unterwegs. Er näherte sich seinen Beobachtern und Verfolgern bis auf 30 Meter. Bei seinen Wanderungen durchs deutsch-österreichische Grenzgebiet geht Bruno auch regelmäßig baden – und verliert so den Geruch, dem die Hunde folgen.

„JJ1“ alias Bruno ist seit 170 Jahren der erste in Bayern frei lebende Braunbär. In Österreich leben seit den frühen 90er Jahren etwa 25 bis 30 Bären. Die meisten sind sehr scheu und halten sich von Siedlungen fern. Länder wie Spanien, Italien, Bulgarien und Rumänien üben seit Jahrhunderten recht erfolgreich das meist friedliche Zusammenleben mit viel mehr Bären.

In Bulgarien schützen wieder Karakatschan-Hunde Schafherden vor Wölfen und Bären, von denen es jeweils einige Hundert im Land gibt. Nach dem zweiten Weltkrieg verschwanden die bernhardinergroßen Hunde langsam aus den Herden und ihre Rasse war weitgehend ausgestorben. Deshalb begann die bulgarische Semperviva-Gesellschaft ein Zuchtprogramm.

Elena Zingarska, die vom kleinen Gebirgsdorf Vlahi im Nordwesten Bulgariens aus die Naturschutzorganisation Balkani Wildlife Society leitet, erklärt, wie die Hunde in die Schafherden integriert werden: Seit im Dezember 1997 der erste Nachwuchs da war, der nicht für das Zuchtprogramm selbst benötigt wurde, schenken die Züchter den Hirten jedes Jahr einige Welpen. Die kleinen Hunde wandern sofort in die Herde aus Schafen, Ziegen oder Kühen und werden von deren Muttertieren auch gesäugt. So empfinden sie die Herde als ihr Rudel. In den Augen der Hunde mag ihr Rudel zwar recht groß sein und ihre Mitglieder tragen einen erstaunlich dicken Pelz oder seltsame Hörner – aber mangels Alternative passen sie sich an diese ungewöhnliche Truppe an. Und sie beherrschen ihren in vielen Jahrhunderten ausgefeilten Job instinktsicher und perfekt: Ein paar Hunde sondieren vor der Herde, ob irgendwo Wölfe oder Bären lauern, der Rest bildet die Nachhut und verhindert so Angriffe von hinten. Einige bleiben in der Herde in Deckung und können sie überraschend und flexibel verteidigen, wenn ein Bär scharf auf Schaffleisch ist.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen, in denen die menschlichen Hirten Fehler machten, wehren die Hunde Attacken auf ihre Schafs-Rudel so erfolgreich ab, dass kaum noch gerissene Tiere beklagt werden. Die natürlichen Verluste durch Abstürze und Krankheiten sind höher. Diese positive Entwicklung ließ die Nachfrage nach Karakatschan-Welpen in den bulgarischen Gebirgszügen der Rhodopen, des Pirin und des Rila explodieren. Vielleicht sollten deutsche und österreichische Politiker also langfristig weniger skandinavische Hunde einfliegen lassen, die Bären jagen, sondern eher Karakatschan-Hunde aus Bulgarien holen, die Herden verteidigen.

Auch ein paar Lumpen und eine Wäscheleine sollten sich die mitteleuropäischen Hirten leisten: Martin Schneider- Jacoby von der Naturschutzstiftung Euronatur in Radolfzell am Bodensee, die von der Lufthansa unterstützt den bulgarischen Naturschützern mit Rat, Tat und Finanzmitteln zur Seite steht, erklärt eine einfache Methode zur Abwehr von Wölfen: Hängen Schäfer alte Stofflappen an eine Wäscheleine und spannen diese Lumpenschnur um die Herde, stoppt diese Barriere Wölfe recht gut. Vielleicht irritiert die Wölfe das unregelmäßige Flattern der Lappen im Wind – oder vom Stoff geht ein leichter Duft nach Mensch aus. Kombiniert man diesen Lumpenzaun mit einem Elektrodraht, wird die Wirkung noch besser, bestätigen Hirten in Polen und Bulgarien. Sobald ein Wolf mit der feuchten, empfindlichen Schnauze einen Stromdraht berührt hat, vergisst er diesen Schlag sein Leben lang nicht mehr und macht große Bögen um jede Herde mit Elektrogatter.

So bekämen auch Bären und Wölfe, die Richtung Norden wandern, eine Chance, die ohnehin vielerorts zu hohen Bestände an Wildschweinen und Hirschen zu dezimieren. (mit Reuters)

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