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Brandenburg: Wenn Künstler über Bilder nicht reden wollen

Beim Tag der offenen Ateliers in Schloß Wiepersdorf geht es vor allem ums Hinsehen und Hinhören WIEPERSDORF (ar).Weit geöffnet sind die Türen zur Terrasse.

Beim Tag der offenen Ateliers in Schloß Wiepersdorf geht es vor allem ums Hinsehen und Hinhören WIEPERSDORF (ar).Weit geöffnet sind die Türen zur Terrasse.Wochenendausflügler drängen in das Haus, um noch Konzertkarten zu bekommen.Weit geöffnet sind auch die Türen der Künstlerateliers.Einige der Künstler, die für ein paar Monate als Stipendiaten in der Abgeschiedenheit des märkischen Nestes Wieperdorf leben, geben Interessierten Einblick in ihre Arbeit.Fast jedes Wochenende lädt das Künstlerhaus zu Konzerten, Lesungen, Vorträgen.Der Blick in die Ateliers bleibt allerdings besonderen Gelegenheiten vorbehalten: Ostern, Pfingsten, dem Sommerfest. Das ist manchem Künstler nicht unrecht, denn die Verständigung mit versierten Kunstbetrachtern, die hier etwas ganz Bestimmtes suchen, ist anstrengend.Clothilde Freichel-Baltes steht in dem kleinen Häuschen nahe dem Schloß, das sie für vier Wochen ihr Atelier nennen darf, und sieht sich mit unerwarteten Angriffen konfrontiert.Na, das hier könne sie doch sicher nicht verkaufen, sagt eine hochgeschlossene Dame aus Berlin mit einem Blick auf die Bilder und fügt mitleidig hinzu: "Wovon leben Sie denn?" Dann schwärmt sie von der Menzel-Ausstellung in Berlin.Der Mann an ihrer Seite fügt zusammenhanglos hinzu, "mit Beuys kann ich überhaupt nichts anfangen", bevor die beiden den Raum und eine erschöpfte Künstlerin verlassen. Für vier Wochen arbeitet Clothilde Freichel-Baltes in Wiepersdorf.Sie schätzt die Ruhe, in der sie hier arbeiten kann, das Ungestörtsein.Und sie zeigt gerne, was sie gemacht hat - wenn jemand bereit ist, zu schauen, nicht gleich zu urteilen, zu suchen und vielleicht Unerwartetes zu finden.Die Saarländerin blättert in einem Buch, das sie gestaltet hat.Ein altes Gästebuch mit gelblichen Seiten bietet die Grundlage für ihre Collagen aus verschiedenen Papieren.Mit dem Stift greift sie Strukturen der gefärbten Papiere, der Telefonbuchschnipsel auf und entwickelt so aus jeder Seite ein kleines Kunstwerk, "wie ein Tagebuch". Ein Künstlerhaus, in dem 70 Stipendiaten pro Jahr aus vielen Ländern arbeiten, nach außen zu öffnen, ist nicht einfach."Jeder soll die Chance haben, etwas von seiner Arbeit zu zeigen", sagt Hauschefin Doris Sossenheimer und fügt hinzu: "Es wird aber keiner gezwungen". Zur Zeit sind so unterschiedliche Künstler da wie die isländische Schrifstellerin Steinnun Sigurdardottir, der norwegische Autor Erik Fosnes Hansen, der Fotograf Hans-Christian Schink aus Leipzig, die Malerin Ute Richter und viele andere. Besucher kommen vor allem aus dem Umland, aus Berlin, ab und zu mal jemand aus dem Ausland, der sich für die Kunst in den neuen Bundesländern interessiert.In der DDR war das anders: Schloß Wiepersdorf gab sich unzugänglich.Ein Refugium für Honoratioren der Literatur, der Altersdurchschnitt lag bei 70 Jahren.Die Öffentlichkeit blieb draußen. Jörg Jantke würde lieber in der Sonne vor seinem Atelier sitzen, als Erklärungen zu seinen Bildern abzugeben.Doch draußen ist es eh zu heiß.So steht er in dem kleinen Raum, der einst die Post des Ortes beherbergte, und zieht widerwillig einige Auarelle hervor.Er ließe viel lieber seine Bilder für sich sprechen, in einem großen Ausstellungsraum.Ein Besucher versucht, ihn zu Aussagen zu bewegen: Wenn das Bild einen Titel wie "Toter Spatz" hat, müssen Sie doch auch erklären können, warum!".Doch bald gibt er auf und folgt stumm den Blätternmit ihren feinen Strukturen, den Grafiken, die der Kunsterzieher und Computergrafiker Jantke nach und nach seinem Publikum vorstellt. Aber bald zieht die Performance von Victor Meertens und Werner Durand die Gäste in den Schloßpark."Wider die brotlose Kunst" ziehen sie zu Felde, der Musiker aus Karlsruhe und der Maler aus Australien.Ein lauschiges Plätzchen haben sie sich ausgesucht, dort, wo eine Buche und eine Eiche sich ganz eng aneinanderschmiegen, erfüllen sie den Park mit ungewohnten Kängen.Durand entlockt seinen langen Flöten Töne,die einem heiseren Alphorn gleichen, Meertens mischt "kulinarische" Geräusche dazu wie Brotschneiden, Eierschlagen, das Sirren der Alufolie, einige Wortfetzen, halb gesungen, halb gesprochen - und so entsteht eine gemeinsame Melodie.Die Zuhörer sitzen auf der Wiese, widmen sich mitgebrachten kulinarischen Genüssen, genießen die Sonne und das ungewohnte Schauspiel, ohne eine Erklärung zu verlangen. Manch einer der Kaffeeausflugsgäste kommt erst bei Sonnenuntergang auf seine Kosten.Andächtig lauschen sie, als zwei junge Musikerinnen Brahms, Beethoven und Schubert in den Schloßpark hinausschicken.Das ist die Art von Kunst, die sie hier gesucht und gefunden haben. Weil Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Vorträge während der Sommersaison in unregelmäßigen Abständen stattfinden, empfiehlt es sich, das Programm des Künstlerhauses Schloß Wiepersdorf telefonisch unter 033746-6990 zu erfragen

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