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Brandenburg: Wie ein Wunder: Badeparadies Elbe

Von Claus-Dieter Steyer Wittenberge. Hunderte Badelustige können nicht irren.

Von Claus-Dieter Steyer

Wittenberge. Hunderte Badelustige können nicht irren. Sie wagten gestern in Wittenberge einen Sprung in die Elbe, um die offenbar stark verbesserte Qualität der einstigen Kloake zu demonstrieren. Zehntausende Menschen entlang des 1000 Kilometer langen Flusses von Tschechien bis zur Nordsee zeigten in rund 50 weiteren Orten den gleichen Mut. Skeptiker betrachteten zwar die Schwimmer nach dem Bade äußerst genau, doch der vorher prophezeite Öl-, Fett- und Fäkalienfilm war nirgendwo zu entdecken. Mehrere Dutzend Teilnehmer schwammen in Wittenberge sogar zum 200 Meter entfernt liegenden Ufer. „Nicht die Wasserqualität machte uns zu schaffen, sondern die starke Strömung“, sagte eine 69-jährige Frau. „Wir gehen oft in der Elbe baden." Vorsichtshalber stellten sich die Wasserretter auf alle Notfälle ein, sie mussten aber nicht eingreifen. Das zuständige Gesundheitsamt hatte an der sandigen Uferstelle zuvor mehrere Wasserproben genommen und grünes Licht gegeben.

„An der Elbe ist seit 1989 ein Wunder geschehen“, sagte Professor Harald Kächele, Bundesvorsitzender des Vereins Deutsche Umwelthilfe, der den ersten internationalen Elbe-Badetag zusammen mit vielen Partnern organisiert hatte. Aus dem schmutzigen, trennenden, gefährlichen Fluss seien ein Naturparadies und eine internationale Kulturlandschaft mit Badewasserqualität entstanden. Sein Projektleiter „Lebendige Elbe“, Roberto Epple, sprach von einer „Rückeroberung der Elbe durch die Menschen". Lange Zeit hätten sie mit dem Rücken zu diesem Fluss gestanden, weil er gestunken habe, von unansehnlichem Schaum bedeckt und teilweise vermint gewesen sei. Deshalb würden solche Aktionen wie in Wittenberge gebraucht, um die Elbe wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Fotos aus den zwanziger und dreißiger Jahren zeigten, dass gerade die Wittenberger regelmäßig zur Abkühlung in die Elbe sprangen. Die Tradition endete erst mit dem Bau großer Industriebetriebe.

Wie auf dem Badetag mitgeteilt wurde, sind seit 1990 rund 100 Millionen Euro in die Sanierung des Flusses investiert wurden. Dafür entstanden 239 kommunale Kläranlagen, davon 61 in der Tschechien, 177 in Deutschland und eine am österreichischen Elbezufluss. Alle Städte mit mehr als 20 000 Einwohner lassen damit ihre Abwässer nicht mehr ungereinigt in den Strom fließen. 1989 lag die Wassergüte der Elbe nach Expertenmeinung rund 20 Jahre hinter der des Rheins zurück. Heute lägen beide Flüsse gleichauf.

Davon profitiert nicht zuletzt die Pflanzen- und Tierwelt. Fanden die Gewässerforscher im Jahre 1992 nur 50 Fischarten, so sind es jetzt 94. Sogar der Lachs, der gemeinhin als Barometer für die Wasserreinheit gilt, kehrte zurück. In Brandenburg wurden erst im März und April wieder Hunderte kleine Lachse in der Stepenitz bei Wittenberge ausgesetzt. Über die Elbe schwimmen sie in die Nordsee, um danach zum Laichen zurückzukehren. Bislang hält sich die Zahl der „Heimkehrer“ allerdings in Grenzen. Bei einer Stauanlage bei Hamburg bleiben sie bisher buchstäblich hängen.

Vor allem Vertreter von Umweltverbänden protestierten auf dem Badetag gegen Pläne, den Fluss bis 2008 als internationale Wasserstraße für 200 Millionen Euro auszubauen. Dafür solle unter anderem die Fahrtrinne erheblich vertieft werden – mit Folgen für die Auen. Diese Pläne, kritisierten Naturschützer, gingen am Bedarf vorbei. Tatsächlich hat sich der Güterverkehr auf der Elbe im vergangenen Jahrzehnt halbiert.

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