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Wirtschaft: „ Gewerkschaft misstraut Belegschaft“

Arbeitgebervertreter Dietmar Heise über die Notwendigkeit betrieblicher Bündnisse

Herr Heise, hat sich das Tarifsystem überlebt?

Nein, es hat sich grundsätzlich bewährt, ist aber in einigen Teilen nicht mehr zeitgemäß. Die Tarifpraxis und das Tarifvertragsrecht müssen modernisiert werden, weil sie die vielschichtigen Entwicklungen in der Wirtschaft nicht mehr abdecken.

Wie sollte das Recht verändert werden?

Die Unternehmen brauchen die Möglichkeit zu betrieblichen Bündnissen. Im Kern geht es um das Günstigkeitsprinzip: Wenn Arbeitgeber und Belegschaft im Einverständnis mit dem Betriebsrat vom Tarifvertrag abweichen wollen, weil sie das als günstiger ansehen, dann muss das möglich sein. Wir brauchen also eine Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes.

Schon heute kann in den Betrieben weniger als Tarif gezahlt oder länger gearbeitet werden, wenn die Tarifparteien zustimmen.

Das bringt zu viele Probleme mit sich. Zum einen dauert das Antragsverfahren bei der so genannten Härtefallklausel zu lange. Und zum anderen sehen viele Unternehmen Risiken darin, ihre Zahlen Dritten gegenüber offen zu legen, wie es bei dem Verfahren erforderlich ist. Im Übrigen kommt es doch einer Entmündigung der Betriebe, der Belegschaften und Betriebsräte gleich, wenn diese nicht selbst über befristete Abweichungen vom Tarifvertrag entscheiden dürfen und damit Beschäftigung sichern.

Die Gewerkschaften befürchten, der Tarifvertrag verkomme zu einer Empfehlung an die Betriebsparteien und die Betriebsräte würden künftig erpresst werden können.

Es geht um eine klarstellende Erweiterung des Günstigkeitsprinzips und nicht um eine Empfehlung. Der immer wieder auftauchende Vorwurf der Erpressung zeigt ja nur, wie wenig die Gewerkschaften den Belegschaften und Betriebsräten vertrauen. Dahinter verbirgt sich die Haltung „ganz oder gar nicht“: Entweder man fällt unter einen Tarifvertrag oder nicht. Dazwischen liegt aber eine vorübergehende Abweichung mit Hilfe einer veränderten Günstigkeitsklausel.

Die IG Metall behauptet, zwischen den Wirtschaftverbänden und der Union gebe es eine Absprache, wonach es nach einem Wahlsieg zu deutlichen Änderungen im Tarifrecht kommt. Was ist da dran?

Gar nichts. Die Wirtschaftsverbände verhalten sich im Wahlkampf neutral. Abmachungen mit irgendwelchen Parteien gibt es nicht.

Aber die BDA begrüßt die Wahlaussagen von FDP und CDU/CSU zur Tarifpolitik?

Die FDP geht zum Teil über unsere Vorstellungen hinaus und die CDU müsste präziser ihre Vorstellungen erläutern.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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