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Wirtschaft: 10 Jahre Währungsunion: Der Osten braucht Wettbewerb - Eine Polemik von Wolfgang Hummel

Vor zehn Jahren wurde mit der Währungsunion die Marktwirtschaft in den neuen Ländern eingeführt. So war es jedenfalls Absicht des Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

Vor zehn Jahren wurde mit der Währungsunion die Marktwirtschaft in den neuen Ländern eingeführt. So war es jedenfalls Absicht des Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Doch wenn Marktwirtschaft sich durch freien Wettbewerb auszeichnet, wenn Marktwirtschaft bedeutet, dass der Staat nur dann eingreift, wenn von Unternehmern nicht abgedeckte Lücken geschlossen werden müssen, wenn Markt auch mit dem freien Spiel der Kräfte zwischen Angebot und Nachfrage zu tun hat, dann steht die Einführung der Marktwirtschaft noch bevor.

Wohnungswirtschaft: 3,5 Millionen Wohnungen wurden seit der Wende in den neuen Bundesländern renoviert und saniert. 800 000 neue gebaut. Zu großen Teilen ist dieser Aufbau eine Erfolgsgeschichte. Doch bei 17 Prozent Leerstand der Wohnungsunternehmen in Sachsen und elf Prozent in Brandenburg wird deutlich, dass man am Markt vorbeigebaut hat. Solange es Fördergelder gab, wurde saniert, ob sich tatsächlich Mieter finden würden, war zweitrangig.

Agrarwirtschaft: 55 Prozent der Bevölkerung in den neuen Bundesländern arbeiten in der Landwirtschaft. Die meisten von ihnen sind in Agrargenossenschaften organisiert. Weite Ebenen und großflächige Felder geben hervorragende Bedingungen ab für effiziente Bewirtschaftung. Doch es fehlt der Wettbewerb. Schnell mussten sich auch die Bauern im Osten darauf einstellen, dass Fördermittelbeschaffung wichtiger war als betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung. Der Vergleich zwischen dem westdeutschen Familienbetrieb und dem ostdeutschen Kollektiv spricht eine deutliche Sprache: 734 Mark erwirtschaftet der westdeutsche Betrieb pro Hektar. Acht Mark Verlust pro Hektar sind es im Osten. Die Rechnung zahlt der Steuerzahler. Ein Ende ist nicht absehbar.

Werftenindustrie: Sind es bei den Landwirten die Milchquoten, die die Produktion zusätzlich beengen, sind es bei den Schiffsbauern die Bruttoregistertonnenquoten. Einige Ostseewerften haben - mit erheblichem Subventionsaufwand - erfolgreich umstrukturiert, haben erheblich investiert, haben neue Kunden gewonnen, doch trotzdem sind auch sie im Wettbewerb behindert. Die Förderung wurde mit Beschränkungen für zu bauendem Schiffsraum von der EU erkauft. Das Produktionspotenzial wird so nicht ausgeschöpft.

Energiemarkt: Obwohl gerade die ums Überleben kämpfende Industrie auf günstigen Strom und günstige Energie angewiesen wäre, waren die Strompreise bis zur Marktöffnung höher als im Westen. Auch heute verhindern Energiewirtschaftsgesetz, Braunkohleverstromungsklausel und Eigeninteressen kommunaler städtischer Versorgungsunternehmen Preise, die der ostdeutschen Industrie einen Standortvorteil verschaffen könnten.

Arbeitsmarkt: Wenn etwas die Ignoranz gegenüber dem Markt besonders deutlich unter Beweis stellt, so ist es der sogenannte Arbeitsmarkt. Doch von Markt kann keine Rede sein. 56 Prozent der westdeutschen Produktivität wurde mittlerweile in den neuen Bundesländern erreicht. 1990 waren es erst 30 Prozent. Eine beachtliche Leistung. Doch die Löhne betragen nicht etwa ebenfalls 56 Prozent, sondern sie liegen in Durchschnitt bei 72 Prozent. Die Netto-Einkommen sogar bei 86 Prozent. Diese Lücke schlägt sich dramatisch in den hohen Lohnstückkosten nieder. Die neuen Bundesländer sind damit nicht nur im Nachteil gegenüber Westdeutschland, sondern können so auch die Konkurrenz mit ausländischen Mitbewerbern nicht bestehen. Dass 80 Prozent der Arbeiter im ehemaligen DDR Maschinenbau ihre Arbeit verloren haben, spricht für sich. Die im Verhältnis zur Produktivität überhöhten Lohnabschlüsse vernichten seit zehn Jahren Arbeitsplätze und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Zeche zahlt auch in diesem Fall der Steuerzahler. Jede dritte Mark stammt über den Finanztransfer aus dem Westen. Die steigenden Sozialhilfeausgaben sind aber nur ein Indiz für die Fehlsteuerungen insgesamt. Schon seit 1990 wurde Jahr für Jahr immer mehr für Soziales anstatt für Infrastruktur,Investitionen und Wirtschaftsförderung ausgegeben. Das Gegenteil wäre jedoch notwendig. So flossen im Rahmen des Finanztransfers seit 1990 zwar 345 Milliarden Mark in Soziales und 354 Milliarden Mark in den Arbeitsmarkt, doch nur 206 Milliarden Mark in die Infrastruktur. Selbst bei der Infrastruktur orientiert sich die Verwendung jedoch häufiger an politischen Vorgaben als an wirtschaftlichen Notwendigkeiten: Etwa beim Projekt 17, dem Ausbau des Wasserwegs zwischen Hannover und Berlin, orientiert sich die Politik in einer Zeit der Just-in-time-Fertigung am Massengutverkehr der 30 Jahre. Und beim Ausbau des Regionalverkehrs der Bahn wurde die Verdoppelung der Autodichte in den neuen Bundesländern gar nicht zur Kenntnis genommen.

Seit 1997 bleiben so die neuen Bundesländer beim Aufholprozess gefährlich zurück. Die Lösung liegt nicht in immer komplizierter werdenden und verlängerten Finanztransfermodellen. Die Lösung liegt allein im Wettbewerb.

Der Autor ist Leiter des Planungsstabes Wirtschaft

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