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Wirtschaft: 100 Tage Löscher

Siemens-Chef präsentiert eine neue Konzernstruktur – Bestechungsskandal ist noch nicht ausgestanden

München - Am kommenden Montag kann Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, sein erstes Jubiläum feiern: 100 Tage im Amt. Und eigentlich wollte er bereits am Donnerstag Bilanz ziehen und anschließend den Blick nach vorne richten.

Am Abend hatte der Münchener Konzern ins Restaurant der Firmenzentrale geladen, um über die ersten Tage der Ära Löscher zu informieren. Dabei sollte der Konzernumbau im Zentrum stehen. Doch bei Siemens kommt immer noch alles anders als man denkt. Am Nachmittag mussten die Pläne revidiert werden. Das Landgericht München verhängte eine Geldbuße von 201 Millionen Euro gegen Siemens und schloss im Gegenzug die Ermittlungen gegen den Konzern ab.

Ob die Einstellung des Verfahrens ein Grund zur Freude oder Besorgnis ist, wird sich auch Löscher noch einige Zeit fragen. Denn der Leitende Staatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld hat im Zusammenhang mit dem Bußgeld das Wort vom „Deal“ in den Mund genommen. Und so gerät der Konzern, obwohl er in Sachen Schmiergeldskandal die erste wirklich entlastende Botschaft seit Monaten verkünden kann, schnell wieder dahin, wo er immer stand in den vergangenen Monaten: in die Büßerecke.

„Es hat keine Absprachen gegeben“, versichert Löscher. Doch die Verunsicherung bleibt, schließlich laufen die Ermittlungen gegen die Beschuldigten weiter, gegen den ersten von ihnen ist eben erst Anklage erhoben worden. „Es ist nur der erste Baustein.“ Löscher sieht den Korruptionsskandal noch nicht überstanden.

Über der Aufregung um Bußgeld und Absprachen geht also ein wenig unter, dass Löscher an diesem Abend einen der umfassendsten Umbauten in der Konzerngeschichte zumindest ankündigt. Seinen endgültigen Plan wird er dem Aufsichtsrat am 28. November präsentieren.

Demnach wird der Zentralvorstand als oberstes Führungsgremium de facto zu einem ziemlich normalen Vorstand umfunktioniert. „Das Coaching wird aufgegeben“, verkündet Löscher. Dabei war dies bislang eines der Kernbestandteile des eigenartigen Führungsmodells des Technikriesen. Die Zentralvorstände, operativ nicht verantwortlich, haben aus ihrem Gremium, das formal nur ein Ausschuss des Vorstands, de facto aber das Machtzentrum des Konzerns ist, einzelne Bereiche wie Medizintechnik oder Industrieautomatisierung „betreut“ . Es gibt nicht wenige im Konzern, die sagen, diese Doppelverantwortung zwischen Zentralvorständen und operativ verantwortlichen Bereichsvorständen sei auch ein Grund dafür, dass am Ende keiner für die schwarzen Kassen verantwortlich war. Die zehn Bereiche bringt Siemens in drei Gebiete ein: Infrastruktur und Automation, Gesundheit, Energie. Sie sollen von je einem Chef mit weltweiter Verantwortung und Vorstandsrang geleitet werden. Diese Vorstände sagen den Ländergesellschaften, wo es langgeht.

Doch es bleibt nicht bei den schwer verständlichen Ausführungen, Löscher wird auch konkret. „Mit Nokia-Siemens-Networks sind wir absolut nicht zufrieden, mit Fujitsu Siemens sind wir auch nicht zufrieden, mit Osram sind wir absolut zufrieden.“ Das ist eine eindeutige Wertung, Spekulationen, Löscher wolle die erfolgreiche Lichttochter versilbern, widerspricht er vehement. Zu Osram gebe es keine Überlegungen, auch mit Bosch-Siemens-Hausgeräte sei er „extrem zufrieden“. So klar und eindeutig hat selten ein Siemens-Chef seine Geschäfte benotet.

Am Freitag teilte Siemens mit, eine strategische Partnerschaft mit dem russischen Stahlunternehmer Alexey Mordashov zur technischen Führung des russischen Kraftwerkszulieferers Power Machines geschlossen zu haben. Die russischen Kartellbehörden hatten Siemens im September den Kauf eines rund 30-prozentigen Anteils an Power Machines untersagt. Daraufhin hatte Siemens sein Vorkaufsrecht zurückgezogen, Mordashov erwarb dann das Aktienpaket. HB/Tsp

Christoph Hardt

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