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Die deutsche Wirtschaft - zum Beispiel der Maschinenbau - hat besonders viel von der Integration.

© dpa

20 Jahre EU-Binnenmarkt: Was Europa wert ist

Vor zwei Jahrzehnten fielen die Handelsschranken in Europa. Eine neue Studie zeigt, wer davon besonders profitiert.

Wie viel mehr bringt uns Europa? Noch vor zwei Monaten – zur Europawahl – hätten viele Politiker wohl gern so eine eingängige Antwort gehabt, mit der sie die Bürger in die Wahllokale hätten locken können: 450 Euro pro Kopf und Jahr. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos errechnet, wie sehr die Gründungsmitglieder vom 1993 geschaffenen EU-Binnenmarkt profitiert haben. Das am Montag in Gütersloh veröffentlichte Ergebnis ist je nach Land höchst unterschiedlich.

Deutlich erkennbar ist jedoch ein Nord-Süd-Gefälle. Mehr als Deutschland profitierte mit einem durchschnittlichen jährlichen Einkommenszuwachs von 500 Euro nur noch Dänemark vom freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital. Italien (80 Euro), Spanien, Griechenland (je 70 Euro) und Portugal (20 Euro) rangieren hingegen am Ende der 14 untersuchten Staaten.

Oberstes Ziel bei der Schaffung eines gemeinsamen Markts sei es gewesen, den Wohlstand der Bürger zu steigern. „Diese Erwartung hat der gemeinsame Markt erfüllt“, schreibt die Bertelsmann-Stiftung. Allerdings, wie die Zahlen zeigen, höchst unterschiedlich.

Die enorme Spannweite erklären die Forscher mit der jeweiligen Bereitschaft, sich zu beteiligen. „Insgesamt gilt: je stärker die eigene Integration, desto höher der volkswirtschaftliche Nutzen.“ Demzufolge wären die Briten ähnlich euroskeptisch, wie ihnen nachgesagt wird. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Zuwachs von lediglich zehn Euro jährlich bilden sie nämlich das Schlusslicht, noch hinter den Südländern, und integrierten sich somit am wenigsten.

Griechenland und Großbritannien sind Sonderfälle

Ganz so einfach ist es aber wohl nicht: Zu Beginn des Untersuchungszeitraums habe es im Vereinigten Königreich ein relativ starkes Wachstum gegeben. Gleichzeitig sei die Wirtschaftsleistung damals in weiten Teilen Europas gesunken. Das geringe Durchschnittswachstum sei in erster Linie dem statistischen Effekt geschuldet, erläutern die Autoren der Studie.

Ein weiterer Sonderfall ist Griechenland. Durch die Schuldenkrise sei es vom Binnenmarkt abgekoppelt. „Werden lediglich die Werte der Jahre 1992 und 2012 miteinander verglichen, so können alle Länder außer Griechenland dank der europäischen Integration höhere Pro-Kopf-Einkommen erzielen.“

Das Potenzial ist noch nicht ausgereizt

Insgesamt trug der Binnenmarkt durchschnittlich 37 Milliarden Euro jährlich zum Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts bei. Die Forscher glauben allerdings, dass der Zuwachs noch höher ausfallen könnte. Insbesondere bei Dienstleistungen und Arbeitsmarkt sehen sie nicht alle Chancen ausgereizt. „So machen Dienstleistungen gegenwärtig rund 70 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts aus, aber nur 20 Prozent des grenzüberschreitenden Handels zwischen den EU-Ländern.“

Für die Studie hatten die Forscher einen eigenen Index entwickelt. An diesem lasse sich ablesen, wie eng die Staaten wirtschaftlich verflochten sind.

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