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Zu Hause bleiben tut gut. Aber viele Ältere kommen ohne ständige Betreuung nicht klar. Pflegekräfte aus Osteuropa unterstützen Menschen, die sich nicht mehr allein versorgen können, in ihrem Alltag – aber sie dürfen nicht alle Aufgaben übernehmen.

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24 Stunden Betreuung: Wie man die richtige Pflege findet

Viele alte Menschen haben den Wunsch, so lange es geht zu Hause zu wohnen. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch deutsche Pflegekräfte können sich aber die wenigsten leisten.

Von Maris Hubschmid

Helga B. ist pflegebedürftig. Vor zwei Jahren brach sie sich das Bein, dann kam ein Schlaganfall hinzu, jetzt sitzt die 80-jährige Berlinerin im Rollstuhl. Gepflegt wird sie von einer Frau aus Kroatien, die auch bei ihr wohnt. Helga B. ist zufrieden. Nur eines stört sie: Immer wenn die Hilfe Urlaub hat, muss Helga B. ins Pflegeheim zur Kurzzeitpflege. „Das ist blöd“, sagt sie. In den eigenen vier Wänden fühlt sie sich viel wohler.

1,8 Millionen Pflegebedürftige werden in Deutschland zu Hause betreut. Nicht alle haben das Glück, dass sich ein Angehöriger um sie kümmert. Am Anfang rettet man sich mit Behelfslösungen: eine aufmerksame Nachbarin, Essen auf Rädern und regelmäßige Besuche durch ambulante Pflegedienste – oft lässt es sich mit derlei Provisorien gut klarkommen.

Schwierig wird es, wenn der Betreuungsbedarf wächst. Viele Menschen haben dann vor allem den Wunsch, so lange es geht zu Hause wohnen zu bleiben. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch deutsche Pflegekräfte können sich aber die wenigsten leisten. Sie würde laut Stiftung Warentest an die 10 000 Euro monatlich kosten. Pflegehilfen aus Osteuropa sind eine beliebte Alternative. Mehr als 150 000, überwiegend Frauen aus Ländern wie Polen, Tschechien und der Slowakei, arbeiten Schätzungen zufolge derzeit in Deutschland. Wie sie unterstützen können – und wie man gute Hilfe findet.

NICHT JEDE HILFE IST ERLAUBT

Die kroatische Unterstützung von Helga B. darf waschen, putzen, kochen und einkaufen, sie zum Arzt begleiten und neuerdings auch beim An- und Auskleiden zur Hand gehen. Medizinische Aufgaben wie Wunden versorgen oder Tabletten verabreichen darf sie aber nicht übernehmen. Das heißt: Sind solche Hilfen nötig, braucht man zusätzlich einen ambulanten Pflegedienst.

EINE HILFSKRAFT FEST ANSTELLEN

Seit Mai 2011 dürfen Arbeitsverträge mit Betreuungskräften direkt geschlossen werden. Die Hilfsperson muss offiziell bei der Meldebehörde angemeldet werden und benötigt eine Lohnsteuerkarte, die der Arbeitgeber beantragen muss. Außerdem ist eine Unfallversicherung abzuschließen. „Momentan handhaben das in Deutschland etwa 12 000 Familien so“, heißt es bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, die solche Hilfen vermittelt. Der Vorteil: Die Hilfskraft kann bei der zu pflegenden Person einziehen und ist im Notfall rund um die Uhr verfügbar (es gilt die gesetzliche Arbeitszeitbegrenzung).

Der Nachteil des Modells ist, dass die Familie als Arbeitgeber Risiken trägt. Im Krankheitsfall muss sie die angestellte Hilfe weiter bezahlen, bei Schwierigkeiten gibt es niemanden, der schlichtet. Weil deutscher Mindestlohn plus Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und Urlaubsvertretungen zusätzlich organisiert werden müssen, ist diese Variante vergleichsweise teuer. Monatlich fallen circa 3000 Euro an, für Kost und Logis können rund 370 Euro abgezogen werden.

SELBSTSTÄNDIGE BEAUFTRAGEN

Haushaltshilfen können auch als Selbstständige auftreten. Für die Arbeitgeber bedeutet das weniger Verantwortung und geringere Kosten. Die Helfer müssen selber ein Gewerbe anmelden und arbeiten auf eigene Rechnung. Voraussetzung ist allerdings, dass sie in mindestens zwei Haushalten arbeiten – ansonsten handelt es sich um eine Scheinselbstständigkeit, und die ist für beide Seiten strafbar. Schwierig wird es also schon, wenn die Betreuungskraft wie im Fall von Frau B. mit im Haus wohnen soll. Über Portale wie Pflegeagenten, Pflegeprofis oder Haushaltshilfen.de lassen sich freiberufliche Hilfen finden.

ENTSENDUNG DURCH DAS HEIMATLAND

Die dritte Variante: In der EU gilt Dienstleistungsfreiheit, das heißt, eine polnische Firma darf Pflegehilfen nach Deutschland entsenden. Die Betreuer und Betreuerinnen sind in diesem Fall weiter in ihrem Heimatland angestellt und zahlen dort Steuern und Sozialbeiträge. Hierzulande arbeiten diverse Vermittlungsagenturen mit polnischen Anbietern zusammen. „Im Regelfall kann binnen einer Woche eine Betreuungshilfe vermittelt werden“, sagt Stephan Gehrmann von der Agentur Prosenior (www.prosenior-betreuung.de). Fünf Partneragenturen in Polen führen zusammen rund 1300 Betreuungskräfte in ihrer Kartei – überwiegend Frauen. Zumeist werden die Hilfen nach drei Monaten ausgetauscht. Wenn die Chemie nicht stimmt, steht binnen einer Woche eine Ersatzkraft vor der Tür. Die Vergütung liegt bei diesem Modell laut Stiftung Warentest je nach Qualifikation und Deutschkenntnissen zwischen 1200 und 2500 Euro im Monat. Hinzu kommt bei einigen Anbietern eine jährliche Vermittlungsprovision von etwa 800 Euro. Der Nachteil: Weder die Familie, bei der die Kraft arbeitet, noch die deutsche Vermittlungsagentur sind weisungsbefugt. Andere Vermittlungsfirmen sind zum Beispiel ActioVita, Pflege Zuhause und Ihrepflege.eu.

WORAUF ZU ACHTEN IST

Die Kosten für ambulante Pflegedienste werden zum Teil von Kranken- und Pflegeversicherung übernommen – die für Betreuungshilfen nicht. „Man kann sich aber das Pflegegeld auszahlen lassen“, rät Stephan Gehrmann von Prosenior. Kommt es zum Vertragschluss, sollte genau festgehalten sein, welche Leistungen die Hilfe erbringen soll. „Seriöse Anbieter bieten unverbindliche Hausbesuche zum Kennenlernen an. Diese sollten kostenlos sein“, rät Petra Hegemann von der Verbraucherzentrale Berlin.

GEFÄHRLICHE SCHWARZARBEIT

Unter Betroffenen kursieren jedoch auch Telefonnummern von Schwarzarbeitern. Sie bieten 24-Stunden-Betreuung für teilweise weniger als 1000 Euro im Monat. „Wer jemanden schwarz beschäftigt, kann wegen Steuerhinterziehung und Betrugs belangt werden“, warnt Hegemann aber. Und: Sollte es vorkommen, dass Wertgegenstände verschwinden oder die zu pflegende Person unsanft behandelt wird, haben die Arbeitgeber rechtlich nichts gegen sie in der Hand.

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