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Wirtschaft: 250 000 Kunden weniger, ein Chef mehr

Vattenfall verliert weiter. Der neue Vorstandsvorsitzende Tuomo Hatakka will kämpfen

Berlin - Der neue Chef gab sich angriffslustig. „Wir werden um die Kunden kämpfen, und ich bin überzeugt, dass sie Vattenfall wählen werden“, sagte Tuomo Hatakka am Montag in der Berliner Vattenfall-Zentrale. Der Finne war am Freitag vom Aufsichtsrat der Vattenfall Europe AG zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt worden, der jetzige Vorstandssprecher Hans-Jürgen Cramer scheidet Mitte nächsten Jahres aus. Wie er kämpfen will, ließ Hatakka offen – „Sie werden das sehen.“ Dass er kämpfen muss, ist unübersehbar: Seit der unglücklichen Preiserhöhung Mitte des Jahres hat Vattenfall Europe in den Kernmärkten Hamburg und Berlin rund 250 000 Kunden verloren. Konsequenzen für die künftige Preispolitik hat das aber wohl kaum. Hatakka bestätigte auf Nachfrage lediglich die bislang bekannte Position, wonach es zum 1. Januar keine Preiserhöhung gibt.

Lars Göran Josefsson, der Chef der schwedischen Vattenfall AB und Aufsichtsratvorsitzende der deutschen Vattenfall, erläuterte gemeinsam mit Hatakka die neue Strategie und den Wechsel an der Führungsspitze. Das Zusammenführen von Vattenfall-Deutschland mit der polnischen Vattenfall unter einem Dach bezeichnete Josefsson als „offensive Entscheidung“, mit der „wir uns auf die Entwicklung Europas ausrichten“. Dabei sei wichtig, mit Hatakka „einen Europäer an der Spitze der Business Group Central Europe zu haben“, sagte Josefsson. An seinem Vertrauen zu dem nun geschassten Cramer habe sich nichts geändert: „Es gibt ein großes Vertrauen in Herrn Cramer.“ Dass er den Platz an der Spitze räumen müsse, sei eine „offensive Entscheidung“ im Zusammenhang mit der neuen Konzernstruktur.

Spekulationen, wonach dem Schweden die deutsche Tochter nicht profitabel genug sei, bekamen am Montag neue Nahrung. Das Ergebnis in den ersten neun Monaten bewertete Josefsson als „relativ zufriedenstellend“; Vattenfall Europe hatte einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet, das waren sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Hatakka, der neue Chef des drittgrößten deutschen Energiekonzerns, spricht sechs Sprachen, darunter Deutsch und Polnisch. Der Finne studierte unter anderem in Barcelona, arbeitete in London als Berater und ist seit 1992 in Polen tätig, seit fünf Jahren für Vattenfall. Der 50-Jährige bezeichnete die Zusammenlegung der beiden Vattenfallgesellschaften als „logischen Schritt“ Richtung mehr Wachstum und Synergien. „Ich bin hungrig für Wachstum“, sagte Hatakka in etwas holprigem Deutsch.

Vattenfall wolle die Nummer eins für die Umwelt sein, meinte Hatakka und betonte die Bemühungen Vattenfalls bei der Entwicklung des CO2-freien Kohlekraftwerks. Zu Arbeitsplatzängsten unter den 4300 Beschäftigten der deutschen Vattenfall sagte Hatakka, „alle werden schnell sehen, dass ich nur ein Mensch bin, mit zwei Füßen, zwei Händen und großen Ohren und hoffentlich einem Gehirn“.

Die Geschäftsaussichten seien vor allem in Polen gut, 95 Prozent der dortigen Elektrizität stammten aus Kohle. Und gerade bei der Kohle könne das „phantastische Know-how in Deutschland“ auch in Polen gut genutzt werden. „Polen hat Sex-Appeal“, meinte Hatakka. Zu konkreten Projekten dort als auch in Deutschland wollte er indes nichts sagen. „Wir reden nicht gerne über unsere Pläne.“ Aber es sei „nicht ausgeschlossen, dass wir auch in Deutschland wachsen“. Im Unternehmen gibt es die Befürchtung, dass Vattenfall Europe künftig vermehrt das in Deutschland verdiente Geld außerhalb Deutschlands investiert – in Polen zum Beispiel.

Zur Diskussion über die Marktmacht der vier Energiekonzerne sagte Josefsson, der „Großhandelsmarkt funktioniert gut“, und auch im Massenmarkt „gibt es keine sehr großen Probleme“.

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