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Wirtschaft: 50 000 Metaller im Arbeitskampf

Vergangene Nacht um 22.30 Uhr hat bei Daimler-Chrysler der erste Streik in der Metall- und Elektroindustrie seit sieben Jahren begonnen.

Vergangene Nacht um 22.30 Uhr hat bei Daimler-Chrysler der erste Streik in der Metall- und Elektroindustrie seit sieben Jahren begonnen. Im größten Werk des Automobilkonzerns in Sindelfingen bei Stuttgart traten knapp 2000 Beschäftigte nicht zur Arbeit an. Heute sollen in Baden-Württemberg weitere 20 Betriebe mit rund 50 000 Beschäftigten bestreikt werden, darunter neben Daimler-Chrysler auch Porsche, Audi und der Landmaschinenhersteller John Deere. Kurz vor Streikbeginn warnte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, vor einer Demontage des Flächentarifvertrags durch den Arbeitskampf. "Ich sehe in dieser Tarifrunde zum ersten Mal ganz real die Gefahr, dass die IG Metall den Flächentarifvertrag an die Wand fährt", sagte Kannegiesser am Sonntag dem "Handelsblatt". Eine zweistellige Zahl von Unternehmen sei bereits aus den Metallarbeitgeberverbänden ausgetreten. Mit dem Austritt oder dem Wechsel in einen Verband ohne Tarifbindung versuchen Unternehmen, sich einem überhöhten Tarifabschluss zu entziehen.

Nach Berechnung von Gesamtmetall kostet ein Prozent Lohnerhöhung die Metallindustrie 1,62 Milliarden Euro. Das Ziel der IG Metall, eine mindestens vierprozentige Lohnerhöhung zu erstreiken, sei tarifpolitisches "Harakiri". Es gehe der Gewerkschaft nicht mehr um einen angemessenen Abschluss, sondern nur noch um Macht und Ehre. Kannegiesser betonte erneut, die Arbeitgeber seien umgehend zur Wiederaufnahme der Gespräche bereit, allerdings ohne die Vorbedingung eines höheren Angebots. Er hoffe, dass auch die IG Metall im Laufe dieser Woche wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehrt.

Unmittelbar vor Streikbeginn bekräftigte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel die Forderung seiner Gewerkschaft. Ein mit der Chemiebranche vergleichbarer Abschluss sei kategorisch ausgeschlossen, sagte Zwickel der "Bild am Sonntag". "3,3 Prozent sind für uns eine Provokation." Der Metallbranche mit ihren 3,6 Millionen Beschäftigten gehe es wirtschaftlich besser als der Chemieindustrie. "Daher müssen bei uns auch die Löhne stärker steigen." Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) äußerte in der "Leipziger Volkszeitung" die Erwartung, dass man nach einer kurzen Streikphase rasch zu einem Tarifergebnis komme. "Ich habe die Hoffnung, dass man schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt und dass man dort ein Ergebnis erreicht, das gesamtwirtschaftlich vernünftig ist", sagte Schröder.

Mit ihrer neuen Flexi-Taktik will die IG Metall die Betriebe immer nur tage- oder schichtweise bestreiken, um Fernwirkungen auf Kunden oder Lieferanten zu vermeiden. Bei der Urabstimmung hatten 90,04 Prozent von 203 073 stimmberechtigten Gewerkschaftsmitgliedern im Südwesten für einen Arbeitskampf gestimmt. Auch im Tarifgebiet Berlin-Brandenburg hatten sich die Mitglieder für einen Streik ausgesprochen, dort steht der Beginn jedoch noch nicht fest.

Geißler soll Baukonflikt schlichten

Nach der Metallindustrie waren am Freitagabend, wie berichtet, auch die Tarifverhandlungen für die 950 000 Beschäftigten des Baugewerbes gescheitert. Bevor es dort allerdings zu einem Arbeitskampf kommt, müssen sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft BAU einer Schlichtung 4 (siehe Lexikon ) siehe unterziehen. Schlichter wird voraussichtlich der CDU-Politiker Heiner Geißler. Während der Schlichtung gilt weiter die Friedenspflicht. Da das Verfahren insgesamt mindestens vier Wochen dauert, sind Streiks im Baugewerbe erst im Juni möglich. Eine Ausnahme bilden Betriebe, die nicht tarifgebunden sind. Das trifft auf die Mehrheit der Bau-Firmen zu, vor allem auf die kleinen. Die IG Bau erwägt, dort früher mit Streiks zu beginnen. Die Arbeitgeberverbände der Bauindustrie und des Baugewerbes hatten am Freitag kein Lohnangebot vorgelegt, da sie zunächst über Reformen der Lohnstruktur verhandeln wollten. Ihr Ziel: Einfachere Lohngruppen, die auch die oftmals untertarifliche Bezahlung im Osten abbilden. Die IG Bau, die 4,5 Prozent mehr Lohn fordert, lehnte dies ab. Man dürfe nicht den Tarifbruch zum Maßstab machen, hieß es.

huh, HB

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