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Wirtschaft: 5000 Arbeitsplätze bei Siemens in Gefahr

Kosten und veränderte Märkte setzen Konzern unter Druck / Gewerkschaft sieht bis zu 10000 Stellen betroffen

München/Berlin (nad/mot). Beim Technologiekonzern Siemens sind bis zu 5000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. Etwa die Hälfte davon könnte ins Ausland verlagert werden, wenn sich die Belegschaft nicht auf Mehrarbeit und Lohnverzicht einlässt. Siemens begründete dies am Donnerstag mit dem veränderten Markt, hohen Arbeitskosten sowie neuen Technologien. Die Gewerkschaften kündigten massiven Widerstand an: Man werde sich nicht auf die „Erpressung des Vorstandes“ einlassen, sagte der bayerische IG MetallVorsitzende Werner Neugebauer im Anschluss an ein Treffen von Management und Betriebsrat am Vortag.

Siemens hatte vorgeschlagen, an den betroffenen Standorten die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden ohne vollen Lohnausgleich auszuweiten, um Arbeitsplätze zu retten oder in Deutschland zu halten. Die IG Metall geht davon aus, dass insgesamt 10000 Arbeitsplätze bei Siemens akut gefährdet sind. Die Gewerkschaft will in den kommenden Wochen mit bundesweiten Aktionen gegen den Stellenabbau protestieren. Man sei aber prinzipiell zur Erarbeitung „hochflexibler Lösungen“ bereit, sagte Neugebauer.

Der Konzern bestätigte, es gebe konkrete Verlagerungsabsichten für den Mobilfunkbereich (ICM), die Netzwerksparte (ICN) sowie den Bereich Energieübertragung (PTD). Bei ICM geht es vor allem um die Handy-Fertigung in Kamp-Lintfort und Bocholt, wo die Verlagerung von rund 2000 Stellen nach Ungarn zur Diskussion steht. Dort könnte nach Siemens-Angaben zu 30 Prozent niedrigeren Arbeitskosten produziert werden. Der Abzug von 200 Arbeitsplätzen auf dem Gebiet Service und Reparatur aus Bocholt war nach Zugeständnissen der Belegschaft verhindert worden. Weitere Verlagerungen stehen in Werken in Bruchsal sowie Kirchheim/Teck an sowie in der Sparte Automatisierung. Letztere soll von sieben auf drei deutsche Standorte konzentriert werden. Nach Auskunft von Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann sollen überdies 180 Stellen in der Finanzbuchhaltung nach Prag verlagert werden. „Das hat eine neue Qualität“, sagte Heckmann. Nicht nur die Produktion, sondern auch die Siemens-Verwaltung sei jetzt betroffen.

Siemens sieht sich nach eigenen Angaben wegen sinkender Auftragseingänge und Preise, einer nicht wettbewerbsfähigen Kostenstruktur oder veralteter Technik unter Druck. Zudem forderten ausländische Kunden teilweise eine Produktion vor Ort, teilte der Konzern mit. Insgesamt beschäftige man sich deshalb mit der „Situation der inländischen Arbeitplätze“ in sieben von 14 Unternehmenssparten. Zahlen nannte das Unternehmen am Donnerstag hingegen nicht. Siemens-Personalvorstand Jürgen Radomski sagte aber, Kostensenkungen könnten „nur ein Teil der Lösung zur Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland“ sein. Es gehe bei der Debatte auch um Innovation und Wachstum. Siemens beschäftigt weltweit 414000 Mitarbeiter, davon 170000 in Deutschland.

Nach Gewerkschaftsangaben sind zusätzlich zu den vom Unternehmen genannten Aktivitäten mehr als 4000 Stellen beim Autozulieferer Siemens VDO und weitere rund 3000 bei Bosch Siemens Hausgeräte gefährdet. 700 Arbeitsplätze stehen laut IG Metall zudem im Bereich Siemens Business Services zur Disposition. Der Standort Berlin, wo Siemens 14600 Mitarbeiter beschäftigt, bleibt laut IG Metall vorerst vom Stellenabbau verschont. „Es gibt aktuell nichts Neues“, sagte Konzernbetriebsratschef Georg Nassauer dem Tagesspiegel. Wegen „massiver Einbrüche im Verkehrstechnikgeschäft“ seien aber auch in den Werken in Berlin, Braunschweig und Erlangen Arbeitsplätze gefährdet, fügte Ralf Heckmann hinzu.

Bayerns IG Metall-Chef Neugebauer appellierte an die „soziale Verpflichtung“ des Konzerns zur Arbeitsplatzsicherung in Deutschland. Das Unternehmen sei kein krisengebeutelter Mittelständler, sondern einer der finanzstärksten Konzerne weltweit. Die IG Metall werde sich keinesfalls auf die Forderung des Siemens-Vorstands einlassen, dass die Beschäftigten bei der Siemens auf 25 bis 30 Prozent des Lohns verzichten und gleichzeitig fünf Stunden länger arbeiten sollten.

An der Börse legte die Siemens-Aktie deutlich zu. Der Wert stieg bis zum Schluss um 1,7 Prozent auf 61,10 Euro.

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