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Wirtschaft: 51 Milliarden Konzerngewinne fließen ins Ausland

Die Unternehmensteuern sollen sinken – wie, darüber sind sich die Finanzminister nicht einig. BDI fordert schnelle Beschlüsse

Von Antje Sirleschtov

Frankfurt am Main/Berlin - Deutsche Unternehmen verschieben einen Großteil ihrer Gewinne ins Ausland, um von niedrigeren Steuersätzen zu profitieren. Nach Informationen des Tagesspiegel sind allein im vergangenen Jahr gut 51 Milliarden Euro Gewinn deutscher Kapitalgesellschaften in Ländern mit günstigerer Besteuerung versteuert worden. Dem deutschen Fiskus standen 79 Milliarden Euro Einkommen von Körperschaften zur Versteuerung zur Verfügung. Und auch das ist noch nicht mal die Hälfte des gesamten Gewinns deutscher Kapitalgesellschaften von 207 Milliarden Euro, von dem aber verschiedene Posten abgezogen werden, um zur so genannten Bemessungsgrundlage zu kommen.

Durch die Verlagerung des Gewinns ins Ausland verlieren Bund und Länder schätzungsweise 15 Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr. Ein Fünftel davon will Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ab 2006 durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von bisher 25 auf 19 Prozent zurückholen. Er setzt darauf, dass der niedrige Tarif dazu führt, dass wieder mehr Gewinne in Deutschland versteuert werden. Regierung und Opposition hatten die Tarifsenkung vor drei Wochen beim Jobgipfel verabredet. Am Freitag traf sich Eichel mit den Finanzministern von Bayern und Nordrhein-Westfalen, Kurt Faltlhauser (CSU) und Jochen Dieckmann (SPD), um Konzepte auszutauschen.

Um Mehreinnahmen des Fiskus von drei Milliarden Euro zu erzielen, müssten die Unternehmen – zumeist Konzerne – etwa zehn der 51 Milliarden Euro wieder in Deutschland zur Besteuerung anmelden. Diese Prognose sei „im Detail nachgerechnet“, erklärte das Finanzministerium. Wenn der Steuersatz wie geplant ab 2006 nur noch 19 Prozent betrage, sei es „nicht mehr sinnvoll für die Unternehmen, die Gewinne ins Ausland zu bringen“.

Sollte die Rechnung der Bundesregierung aufgehen, würde dieser Selbstfinanzierungseffekt auch zu beachtlichen Mehreinnahmen in den Kassen von Städten und Gemeinden führen. Weil die aus dem Ausland zurückgeholten Gewinne der Unternehmen dann auch der Gewerbesteuer unterlägen, könnten die Kämmerer nach Berechnungen des Finanzministeriums mit Mehreinnahmen von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr rechnen. Schon 2006 würden rund 700 Millionen Euro in deren Kassen gespült. Die Steuersenkung soll zu einer Gesamtbelastung für Kapitalgesellschaften (Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer) von 33,7 Prozent führen. Derzeit liegt der Wert bei 38,6 Prozent.

Ein Zeitplan wurde bei dem gut halbstündigen Gespräch in Frankfurt am Main nicht verabredet. Eichel sagte, bei einer schnellen Einigung könne die Entlastung von etwa sechs Milliarden Euro noch vor dem Sommer Gesetz werden.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte eine Umsetzung spätestens zum Jahreswechsel. „Wir werden uns nicht damit abfinden, wenn bis zur Bundestagswahl nichts passiert“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg dem Tagesspiegel.

Zur Finanzierung der – nach der Selbstfinanzierung – verbleibenden Steuerausfälle von rund drei Milliarden Euro sieht Eichel die Anhebung der Mindeststeuer und Änderungen der Abschreibungsregeln für Schiffs- und Medienfonds vor. Gerüchten, die Regierung wolle auch die Dividendenbesteuerung ändern, erteilte Eichel eine Absage. Dagegen schlug er nach Informationen aus seinem Ministerium die Halbierung der Steuersätze für Firmen auf Erlöse aus Immobilienverkäufen vor, um diese attraktiver zu machen.

Faltlhauser sagte zu, er werde als Koordinator der Union Eichels Konzept prüfen und bewerten. Es gehe darum, Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft zu stabilisieren. Der CDU/CSU-Finanzexperte Michael Meister sagte dem Tagesspiegel, „die Union möchte, dass der Jobgipfel ein Erfolg wird“. Daher habe sie ein „ureigenes Interesse“ an einem Ergebnis in der Steuerpolitik, das den Unternehmern helfe.

BDI-Hauptgeschäftsführer von Wartenberg forderte, die Steuerbeschlüsse des Job-Gipfels ohne Abstriche umzusetzen, und setzte sich insbesondere für Erleichterungen bei der Erbschaftsteuer ein. Dadurch würde eine Verlagerung von Unternehmen ins Ausland verhindert. „Wir sind für degressive Sätze bei Betriebsübergängen. Dafür ist die Opposition zuständig, das ist Ländersache“, sagte er. Mitarbeit: Moritz Döbler

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