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A380-Krise: Generalüberholung mitten im Flug

Der neue Airbus-Chef Streiff will im Konzern gründlich durchgreifen: Nach einem Pressebericht will er zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen sowie Stellen streichen.

Paris - Erst seit Juli im Pilotensitz muss der französische Airbus-Chef Christian Streiff mitten im Flug nicht nur das Kabelgewirr im Super-Airbus A380 entwirren, sondern auch Ballast aus dreieinhalb Jahrzehnten deutsch-französischer Konzern-Geschichte über Bord werfen. Spekuliert wird über Milliardeneinsparungen, Stellenstreichungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland und eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Werken Hamburg und Toulouse. Klarheit werden die Mitarbeiter und Anleger nächste Woche bekommen, wenn Streiff seinen Sanierungsplan dem Mutterkonzern EADS vorlegt.

Der 52-jährige Streiff hatte den Posten Anfang Juli von dem glücklosen Deutschen Gustav Humbert übernommen. Der musste die Verantwortung für die Lieferverzögerungen beim A380 übernehmen, die den Konzern im Juni in schwere Turbulenzen gebracht hatten. EADS wählte nach den ewigen Reibereien zwischen Franzosen und Deutschen im Konzern wohl bewusst einen Manager von außerhalb. Streiff hat mehr als 25 Jahre beim französischen Mischkonzern Saint Gobain verbracht, darunter elf Jahre in Deutschland. Damit kennt er die Probleme, die zwischen den planungsverliebten Deutschen und den eher zupackenden, aber zuweilen chaotischen Franzosen entstehen können. Ehemalige Mitarbeiter schreiben Streiff gut, dass er immer um Verständnis für die Eigenheiten diesseits und jenseits des Rheins warb und seine Teams anfeuerte, die jeweiligen Stärken zu nutzen.

A380 vordringlichstes Problem

Streiffs vordringlichstes Problem bleibt der A380. Das Chaos mit der Elektrik ist beim größten Passagierflugzeug der Welt noch lange nicht gelöst. EADS zufolge stehen weitere Lieferverzögerungen an. Nach Angaben aus Konzernkreisen werden 2007 voraussichtlich nur vier bis fünf statt der zuletzt geplanten neun A380 geliefert. Vor wenigen Monaten hatte Airbus noch bis zu 25 Maschinen an die Kunden übergeben wollen. Ein Fiasko, das nicht nur dem Ansehen des Konzerns schadet, sondern auch äußerst kostspielig ist: Schon wegen der letzten Verzögerung im Juni rechnet EADS mit der Schmälerung seines Betriebsgewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 2007 bis 2010 um eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. Was die neue Verschiebung kostet, ist offen.

Streiff sei entschlossen, "alle schlechten Nachrichten aus dem Weg zu räumen", schrieb die britische Zeitung "Guardian". Demnach will er dem EADS-Verwaltungsrat am Freitag kommender Woche Einsparungen von mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr vorschlagen, was auch Stellenstreichungen bedeuten könne. Den Zusammenbau der Flugzeuge, der bisher getrennt in Toulouse und in Hamburg erfolgt, wolle Streiff an einem Ort konzentrieren. Zudem könne ein Teil der Produktion ins außereuropäische Ausland verlagert werden.

Milliardenauftrag der Lufthansa

Dass er beim A380 aktuten Handlungsbedarf sieht, hatte Streiff schon Anfang des Monats demonstriert. Er feuerte den langjährigen französischen Chef des Programms, Charles Champion, und ersetzte ihn durch den Luxemburger Mario Heinen. Nun stellt sich für Streiff die Frage, wo in der Produktion die Hauptprobleme liegen. Auch wenn Schuldzuweisungen offiziell tabu sind, fällt der Name Hamburg immer wieder. Aus Konzernkreisen heißt es, Airbus ziehe in Toulouse nun bis zu 300 französische und deutsche Elektrik-Spezialisten zusammen, um die Probleme beim A380 in den Griff zu bekommen. Sie sollten Methoden finden, "um den deutschen Kollegen zu helfen, deren Teilstücke der Flugzeuge am stärksten betroffen sind".

Als echten Vertrauensbeweis kann Streiff da den Milliardenauftrag sehen, den die Lufthansa trotz der offiziell noch unklaren Lage über seinem Sanierungskurs vergab. Die Anleger ließ das allerdings kalt: Sie verkauften nach der seit dem Airbus-Führungswechsel andauernden Erholungsphase wieder EADS-Aktien in Massen. Ihnen muss Streiff nächste Woche eine überzeugende Strategie für die Generalüberholung bei Airbus bieten. (tso/AFP)

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