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Boomtown. Hochhäuser im Tokioter Geschäftsviertel.

© dpa

Abenomics: Ist Japans Aufschwung schon vorbei?

Japan setzt auf billiges Geld und Exporte. Die Börse ist in den vergangenen Monaten explodiert. Doch jetzt bröckeln die Kurse.

Sind 23 Jahre wirtschaftlicher Agonie genug? Wer derzeit nach Japan sieht, bemerkt Aufbruchsstimmung und Hoffnung in einer Gesellschaft, die sonst nicht gerade zu euphorischen Ausbrüchen neigt. Der Nikkei 225, meistbeachteter Index der Tokioter Börse, ist zuletzt zwar wieder deutlich gesunken, von 15 600 auf 13 000 Punkte. Doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass Investoren weltweit die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde wieder auf ihre Agenda gesetzt haben.

In einer Bloomberg-Umfrage erklärten Anlageprofis, Japan sei „eine der großen Investmentchancen“ der Zukunft. Grund dafür sind die „Abenomics“, eine radikale Kehrtwende der japanischen Wirtschaftspolitik, benannt nach Regierungschef Shinzo Abe. Nach seiner Wiederwahl Ende 2012 beendete Abe den zweieinhalb Dekaden dauernden, erfolglosen Kampf gegen die Wirtschaftsschwäche mit einem Paukenschlag: Er ließ die Druckerpressen anwerfen, flutet seither die Wirtschaft mit frischem Geld, das den Yen verbilligen, den Export stützen und dem Land aus der Deflationsspirale helfen soll.

Dank der „Abenomics“ sollen die Japaner ihr Geld nicht mehr horten, sondern ausgeben und investieren, die stark exportlastige Wirtschaft soll konkurrenzfähiger auf den internationalen Märkten werden, eine bis zu zweiprozentige Inflation soll helfen, das Land zu entschulden.

Die Anleger versetzte Abe damit in einen regelrechten Aktien-Rausch: Der Nikkei legte seit Dezember in der Spitze etwa 70 Prozent zu, wovon nach den jüngsten Korrekturen immer noch gut 55 Prozent übrig sind. Firmen wie Mazda und Fuji notieren aktuell gar mit einem Zwölf-Monats-Plus von mehr als 200 Prozent, gefolgt von Daiwa, Tokyo Electric Power oder dem Finanzinstitut Nomura, die ihre Kurse mehr als verdoppelten.

Das erinnert ein wenig an die 80er Jahre, als der Nikkei 225 bis auf 40 000 Punkte stieg. Myriaden von Gymnasiasten lernten damals Japanisch, in den Bücherregalen standen Bücher über die Kunst japanischen Wirtschaftens. Ökonomen prognostizierten, Japan werde demnächst die USA als größte Volkswirtschaft der Erde ablösen, der Sony-Walkman prägte eine Generation.

Doch 1989 platzte die Blase. Bis 2009 fiel der Nikkei, trotz zahlreicher Erholungsversuche, bis auf rund 7000 Punkte. Die Staatsverschuldung explodierte von 70 auf 240 Prozent der Wirtschaftsleistung, der Export kollabierte. Fast ein Vierteljahrhundert dümpelte das Land in wirtschaftlicher Depression. Das japanische Bruttoinlandsprodukt fiel hinter China auf den weltweit dritten Platz zurück.

Die Meinungen, ob es mit Japan nun wieder nachhaltig bergauf geht, sind geteilt. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa hält Japans Strategie für „hochriskant“, vor allem, weil der gigantische Schuldenberg nicht schrumpfe und durchgreifende Reformen bisher fehlten, etwa im verknöcherten Bankensektor. Auch andere Ökonomen befürchten einen eher kurzfristigen Hype an den Aktienmärkten.

Doch in der Praxis geht Abes Plan bisher auf: Im ersten Quartal wuchs die Wirtschaft wieder, auf ein Jahr gerechnet liegt das Wachstum bei satten 3,5 Prozent. Die Einkaufsmanagerindizes stiegen auf Werte, die auf eine klare wirtschaftliche Belebung hinweisen. Seit dem vergangenen Sommer hat die japanische Währung gegenüber dem Dollar gut 30, gegenüber dem Euro sogar knapp 40 Prozent verloren. Wie massiv sich dies auswirkt, hat Toyota deutlich gemacht. Falle der Yen auch nur um ein Prozent gegenüber dem Dollar, verkündete das Autounternehmen kürzlich, so steige der Gewinn um 340 Millionen Dollar. Die Großbank UBS rechnet vor, dass ein Prozent Minus beim Yen den japanischen Exporteuren etwa zwei Prozent mehr Gewinn beschere, weil ihre Produkte auf den Euro- und Dollarmärkten konkurrenzfähiger sind. Bisher ist dies jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Der massiven Verbilligung des Yen waren mehr als zwei Jahrzehnte vorangegangen, in denen der Yen seinen Außenwert mehr als verdoppelt und den Export abgewürgt hatte.

Auch für die deutschen Anleger ist der Blick auf den Yen wichtig: Japan-Fonds und passive Indexfonds (ETF), die in den Nikkei, den Topix oder den MSCI Japan investieren, glänzen zwar mit Gewinnen von mehr als 50 Prozent auf Jahressicht. Doch der Euro-Anleger profitiert davon nur zum Teil, denn er muss beim Verkauf den Rückgang des Yen gegenüber dem Euro von der Wertentwicklung abziehen. Japan-Fonds, die in Euro oder US-Dollar notieren, machen dies deutlich. Das beste Händchen hatten in der jüngsten Hausse der in Dollar notierte Invesco Japanese Equity (Wertpapierkennnummer 749777) mit einem Jahresplus von knapp 38 Prozent, oder der Morgan Stanley Japanese Equity (A1H8D0) mit 35 Prozent. In Yen notierte Fonds oder ETF wie der I-Shares Nikkei 225 (A0H08D) notieren gut 60 Prozent im Plus. Wer auf Japan setzen, aber das Yen-Risiko umgehen will, kann auf währungsgesicherte Produkte ausweichen, etwa den Indexfonds I-Shares MSCI Japan EUR monthly hedged (A1H53P) oder den MSCI Japan Index UCITS ETF (EUR) der Deutschen Bank (DBX0KT). Allerdings kostet die Absicherung Geld.

Auch Asien-Fonds insgesamt eignen sich für Japan-Optimisten, denn die meisten haben die Aktien des Inselstaats zuletzt stark übergewichtet: So hält der DWS Top 50 Asia (552521) fast 30 Prozent des Geldes in japanischen Werten. Anders als viele Volkswirtschaftler sehen Aktienexperten die Lage in Japan fast durchweg positiv. Ben Williams, Investment-Chef beim Fondsverwalter GAM, etwa hält japanische Aktien nicht für überbewertet und den Aufholprozess nach Jahren der Schwäche erst an einem Anfang. Gemessen am Substanzwert (Vermögen minus Schulden) lägen die Aktienkurse japanische Firmen auch nach den massiven Kursgewinnen seit Dezember deutlich hinter europäischen und amerikanischen. Die britische Fondsgesellschaft Threadneedle erkennt gar einen „monumentalen Wandel“.

Helfen könnte dem Nikkei und seinem größeren Bruder Topix auch die Tatsache, dass der weltgrößte Pensionsfonds, der etwa 850 Milliarden Dollar schwere japanische GPIF, künftig stärker auf heimische Aktien setzen will.

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