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Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, spricht am 08.03.2016 bei der Betriebsversammlung im Volkswagen Werk in Wolfsburg.

© dpa

Abgasskandal: „Wir werden Geduld aufbringen müssen“

VW-Chef Matthias Müller beschwört in Wolfsburg vor 20 000 Beschäftigten das Wir-Gefühl.

VW-Stammwerk Wolfsburg, Dienstagmorgen, 9 Uhr 30. Draußen scheint die Sonne am wolkenlosen Himmel, drinnen wirkt die Stimmung unterkühlt. Das ändert auch der Jazz nicht, der in Halle elf gespielt wird. Es ist Betriebsversammlung, die dritte seit dem Ausbruch der Abgas-Affäre. 20 000 Mitarbeiter warten auf neue Signale.

Das erste kommt von Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh: Er befürchtet einen massiven Stellenabbau als Folge der Abgasaffäre. „Sollte die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen durch eine Strafzahlung in bislang einmaliger Höhe nachhaltig gefährdet werden, wird dies auch dramatische soziale Folgen haben“, sagt Osterloh. Davon wären nicht nur Standorte in den USA, sondern auch in Europa und anderswo betroffen. Osterloh appellierte im Beisein des Konzernvorstands an die US-Behörden, diesen Aspekt bei der Strafzumessung im Blick zu haben.

Eine Stafe von 46 Milliarden steht im Raum

Weltweit arbeiten für Europas größten Autokonzern mehr als 600 000 Menschen, allein in Deutschland sind es rund 270 000. Wegen der Volkswagen vom US-Justizministerium zur Last gelegten Verstöße gegen US-Umweltgesetze steht eine Strafe von bis zu 46 Milliarden Dollar im Raum. Die Summe dürfte nach Einschätzung von Juristen allerdings deutlich niedriger ausfallen, wie frühere Fälle vermuten lassen.

Osterloh setzte sich dafür ein, die bei Volkswagen ausgeprägte Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht einzuschränken. Ohne Schulterschluss des Managements mit der Belegschaft könne VW die Krise nicht bewältigen. Es gehe jetzt darum, das Potenzial der Konzernmarken zu heben. Nur so könnten die immensen Belastungen aus dem Abgasskandal geschultert werden.

Müller verspricht Aufklärung

VW-Chef Matthias Müller nahm den Ball auf: „Trotz der unterschiedlichen Sichtweisen, die es in einem Unternehmen naturgemäß gibt, wissen wir: Das wird nur gemeinsam gehen.“ Müller geht davon aus, dass die finanziellen Auswirkungen des Skandals erst in einigen Jahren sichtbar werden. „Wir werden Geduld, Beharrungsvermögen und auch eine gewisse Frustrationstoleranz aufbringen müssen.“ Der Volkswagen-Chef trat der Darstellung entgegen, VW verschleppe die Aufarbeitung der Diesel-Affäre oder vertusche etwas. „Wir sind dabei, schonungslos aufzuklären, wer für das Geschehene verantwortlich ist.“

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ihre Ermittlungen im Diesel-Skandal derweil ausgeweitet. Die Zahl der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren sei auf 17 gestiegen, sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Es handele sich um VW-Mitarbeiter, ein Vorstandsmitglied befinde sich nicht darunter. Die Staatsanwaltschaft hatte bislang sechs Beschuldigte geführt.

Weil rechnet mit weiteren Enthüllungen

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte vor den VW-Mitarbeitern, er rechne mit weiteren Enthüllungen. „Wir werden wahrscheinlich in diesem Jahr immer wieder einmal mit unangenehmen Nachrichten im Zusammenhang mit Diesel-Gate konfrontiert werden.“ VW verfüge aber über eine starke wirtschaftliche Substanz.

Unangenehme Nachrichten erreichten den Konzern schon am Dienstag. Volkswagen drohen nun auch in Deutschland hohe Schadenersatzforderungen von institutionellen Investoren. Die Allianz werde sich über ihren Vermögensverwalter AGI in den kommenden Tagen an einer Sammelklage gegen den Autobauer beteiligen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von einer mit den Plänen vertrauten Person. „Das passiert noch diesen Monat.“ Wie andere Kläger auch werde AGI geltend machen, dass VW zu spät über die Manipulationen an Dieselfahrzeugen informiert und damit die Pflicht zur Veröffentlichung kursbewegender Erkenntnisse verletzt habe.

Ermittlungen auch in Paris

Auch die Staatsanwaltschaft in Paris hat inzwischen Ermittlungen gegen VW wegen schweren Betrugs bei der Abgasbehandlung von Dieselfahrzeugen eingeleitet. Dabei gehe es um die in Frankreich betroffenen Fahrzeuge, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Strafverfolger hatten bereits im Oktober eine Voruntersuchung begonnen und Büros von VW durchsucht. Der Autokonzern hatte 2015 zugegeben, millionenfach Stickoxidwerte von Dieselautos mit einer illegalen Software manipuliert zu haben. Weltweit sind rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, in Frankreich sind es knapp 950 000 Autos. mit dpa und rtr

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