zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Abgehobene Nische

Nach dem Aus für die Concorde buhlen die Fluggesellschaften um die zahlungskräftige Kundschaft des Überschall-Jets

Was soll ein Überschall-Jetsetter jetzt machen? Nachdem die Concorde-Maschinen der British Airways am 24. Oktober aus dem Verkehr gezogen wurden und Air France ihre ins Museum abgeschoben hat, ist nun ein Kampf um die Kunden ausgebrochen. Denn sie sind bereit, jeden Preis zu bezahlen, um schnell und nobel ans Ziel zu kommen. Die Fluggesellschaften bombardieren sie mit Alternativen – von Privatjets bis zu Erste-Klasse-Räumen mit Betten und getrennten Kabinen. Der Komfort soll ausgleichen, dass die Flüge jetzt länger dauern. British Airways setzt sich sogar telefonisch mit den Ex-Überschall-Kunden in Verbindung, damit sie nicht zur Konkurrenz abwandern.

Die Marktnische Luxusreisen kann lukrativ sein. Bei der Concorde haben jedoch die Kosten verhindert, dass sie ein finanzieller Erfolg war. Bei British Airways zahlten die Reisenden für die Annehmlichkeit, in dreieinhalb Stunden von New York nach London zu gelangen, bis zu 12672 Dollar (11631 Euro) zuzüglich Steuern für ein Rückflugticket. „Die Nische ist nicht groß, aber es steckt viel Geld in ihr“, sagt John Lampl, Sprecher von British Airways.

Auch Net-Jets, ein Vermieter von Privatjets, bemüht sich um die Concorde-Kunden. Net-Jets hat mit Top-Managern von Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks Kontakt aufgenommen, von denen die Firma weiß oder vermutet, dass sie Concorde-Kunden sind. „Unser Verkaufsteam, 40 Leute in den USA und Europa, kümmern sich ausschließlich um dieses Projekt“, sagt Kevin Russell, Vizechef des Unternehmens.

Ein Teil des Konzepts heißt Komfort. Die Passagiere können reisen, wann sie wollen und müssen erst 15 Minuten vor Abflug am Flughafen sein. Der Flug von London nach New York dauert zwar zweieinhalb Stunden länger als mit der Concorde, doch sparen die Fluggäste dadurch Zeit, dass kleinere, zentraler gelegene Flughäfen angeflogen werden.

Die Privatjets sind geräumiger, komfortabler und mit Satelliten-, Telefon- und Laptop-Anschluss technisch besser ausgestattet als die Concorde. Aber das kommt nicht billig. Für 100 Flugstunden im Jahr in einem 13-sitzigen Gulfstream JV-SP verlangt Net-Jets einmalig 3,7 Millionen Dollar (3,4 Millionen Euro) für ein garantiertes Zeitkontingent, das der Kunde weiterverkaufen kann. Für jede Stunde Flug zahlt der Kunde 3112 Dollar (2856 Euro).

Auch Virgin Atlantic Airways, der schärfste Konkurrent von British Airways, unternimmt große Anstrengungen, um Concorde-Kunden für sich zu gewinnen. Die Londoner Gesellschaft startete im Juli eine Werbekampagne, in der sie die neuen Sitze in der „Upper Class“ anpreist, die sich zu Betten umbauen lassen. Schon vor zwei Jahren – als das Ende der Concorde noch nicht abzusehen war – hatte man mit der Entwicklung dieses Produkts begonnen. Virgin sah darin von Beginn an einen Angriff auf die Concorde und andere First-Class-Marken. „Die Concorde war nie besonders komfortabel“, sagt Richard Branson, Gründer von Virgin Atlantic. „Sie war einfach nur unglaublich schnell und sah phantastisch aus.“ Ein Hin- und Rückflug von London nach New York in der gehobenen Klasse kostet bei Virgin Atlantic 4631 Dollar (4500 Euro).

British Airways befürchtet, dass Stammkunden der Concorde aus den USA die ersten sein könnten, die wechseln, denn sie werden möglicherweise die Fluggesellschaften vorziehen, mit denen sie innerhalb der USA fliegen und bei denen sie Meilen sammeln können. „Unter unseren Kunden sind Unternehmen, deren einzige Verbindung zu British Airways die Concorde ist. Wir müssen neue Wege finden, mit diesen Kunden ins Geschäft zu kommen“, sagt Martin George, Marketingdirektor der Fluglinie.

British Airways hat bereits alle Boeing 747 und 777 in der Ersten Klasse mit Liegesitzen und in der Business Class mit kleineren Betten ausgestattet. Die Gesellschaft überlegt sogar, die Erste Klasse zu erweitern.

Aber Dickschädel wie Kai Ruttenstein sind schon entwöhnt. Der Vizepräsident und Modedirektor von Bloomingdale liebte die Schnelligkeit und den Service bei der Concorde so sehr, dass er seine sechs Flüge im Jahr von New York nach Paris und London aus eigener Tasche zahlte, obwohl sein Arbeitgeber ihm einen Flug in der Business Class bezahlt hätte. „Man ging sofort hinein und setzte sich. Bevor man es merkte, hob das Flugzeug ab. Sie servierten eine Mahlzeit, man schloss die Augen und war in Paris.“

Texte übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Dürre), Svenja Weidenfeld (Luxusreisen), Matthias Petermann (Blackout), Christian Frobenius (Hitze) und Gregor Hallmann (Spam).

Cecilie Rohwedder

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false