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Absatzkrise: Notbündnis für die Autoindustrie

Gewerkschaft, Betriebsräte und Hersteller erwarten düstere Zeiten – und beschwören ihren Willen zur Kooperation.

Berlin - Die IG Metall und Vertreter der Automobilindustrie haben die Beschäftigten der Branche auf düstere Zeiten eingestimmt. IG Metall-Chef Berthold Huber warnte am Mittwoch in Berlin vor Massenentlassungen, wenn der Staat nicht aktiv eingreife und einen Schutzschirm für alle zukunftsfähigen Betriebe aufspanne. „Wer behauptet, die deutsche Automobilindustrie sei nicht systemrelevant, hat entweder keine Ahnung oder handelt verantwortungslos“, sagte Huber auf einer zweitägigen Konferenz der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

In Deutschland sei die Existenz von mehr als vier Millionen Familien direkt oder indirekt von der Autoindustrie abhängig. Die Branche bestreite mehr als ein Drittel (18,9 Milliarden Euro) aller Investitionen in Forschung- und Entwicklung in Deutschland. Fast zwei Drittel aller in Europa angemeldeten Autopatente stammten von deutschen Herstellern und Zulieferern.

Die Lösung der Krise dürfe nicht allein den Märkten überlassen werden, sonst drohten „massive Wohlstandsverluste und nicht akzeptable soziale Verwerfungen“, warnte Huber. Durch die bisher praktizierte Kurzarbeit sei „lediglich Zeit gewonnen, mehr aber nicht“. Bei den Stammbelegschaften habe es bislang keine Entlassungen im großen Stil gegeben. Dies könne sich aber „ab Sommer dramatisch verändern“. Der IG-Metall-Chef forderte die Bundesregierung zur Einrichtung eines Branchenrates „Automobile Zukunft“ auf. In dem Gremium sollten Gewerkschaften, Industrieverbände und die Politik gemeinsame Vorschläge zur Bewältigung des Strukturwandels erarbeiten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nahm diesen Vorschlag auf und bekräftigte seine Forderung nach einem „Industriekabinett“. Dieses solle für einzelne Branchen gezielt Lösungsvorschläge im Kampf gegen die Krise erarbeiten. „Eine strukturierte Industriepolitik ist überfällig“, sagte der Minister.

Die Autoindustrie erlebt nach den Worten von Daimler-Chef Dieter Zetsche eine „Jahrhundertkrise“ und ist „zu einem „rigorosen Krisenmanagement“ gezwungen. „Es klingt so dramatisch wie es leider ist“, sagte Zetsche in Berlin. Er rief die Gewerkschaft zur Kooperation auf: „Ohne Ihren Beitrag wird es nicht gehen.“ Es sei absehbar, dass die Autohersteller ihren Belegschaften eine Menge zumuten müssten. „Aber es wird nicht unzumutbar sein“, fügte Zetsche hinzu. Gewerkschaft und Betriebsräte seien sich ihrer Verantwortung bewusst, betonte IG-Metall-Chef Huber. Aber die Autokonzerne, die in der Vergangenheit hohe Gewinne gemacht hätten, stünden nun auch „in der Pflicht gegenüber den Belegschaften, die diese Gewinne erwirtschaftet haben“. Ohne Gegenleistung sei Kooperation nicht möglich: „Wer von uns etwas haben will, der muss Arbeitsplätze garantieren und er muss Beteiligungsrechte einräumen“, sagte Huber.

Bei Daimler werden in Folge der Wirtschaftskrise von April an 68 000 der 165 000 Beschäftigten in Deutschland in Kurzarbeit sein. „Vor uns liegt eine harte Zeit“, sagte Zetsche. Der „dramatische Erdrutsch der Weltwirtschaft“ werde Opfer kosten: „Einige Unternehmen werden in ihrer heutigen Form scheitern.“

Für den Premiumhersteller Daimler sieht Zetsche allerdings nach wie vor Wachstumschancen, „obwohl es zurzeit naheliegender ist, über wachsende Überkapazitäten zu sprechen“, wie der Vorstandschef einräumte. Sie belaufen sich für die gesamte Industrie nach Schätzung von IG-Metall-Chef Huber weltweit auf 15 bis 25 Prozent. Bei einer Produktionskapazität von mehr als 60 Millionen Fahrzeugen pro Jahr sei nicht auszuschließen, dass 2009 nur 45 Millionen Einheiten verkauft würden. Zetsche betonte, die Industrie dürfe in der Krise ihre Innovationskraft nicht verlieren – auch bei alternativen Antrieben. „Wir müssen ständig so weit vorne bleiben, wie wir teurer sind“, sagte der Daimler-Chef.

Beim Pkw-Absatz ist der Stuttgarter Konzern nicht mehr ganz so pessimistisch. Er erwarte, dass im März die Verkäufsrückgänge nicht mehr so deutlich ausfallen wie in den Vormonaten, sagte Mercedes-Produktionsvorstand Rainer Schmückle der Deutschen Presse-Agentur. Eine „radikale Verbesserung“ werde es aber nicht geben: „Ich glaube, dass wir im zweiten Halbjahr eine leichte Erholung sehen werden“, hofft Schmückle.

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