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Wirtschaft: Ackermanns Anwalt soll Kleinfeld helfen

Beschuldigte in Untersuchungshaft packen aus / IG Metall verteidigt die Siemens-Chefs: Konzern ist kaum überschaubar

Berlin - In der Affäre um schwarze Kassen bei Siemens bereitet sich die Führungsspitze darauf vor, selbst in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu geraten. Sie hat sich des Beistands prominenter deutscher Strafverteidiger versichert, die bereits im Mannesmann-Prozess eine führende Rolle gespielt haben. So hat Konzernchef Klaus Kleinfeld den Strafrechtler Klaus Volk gewonnen. Volk war im Mannesmann-Verfahren Verteidiger von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer seinerseits wird von Sven Thomas beraten, der im Verfahren den ehemaligen Konzernchef Klaus Esser vertrat. Ein Konzernsprecher bestätigte entsprechende Informationen des Handelsblatts, wies aber darauf hin, dass die Kontakte zu den Anwälten bereits seit längerer Zeit bestünden. Immer mehr Stimmen fordern inzwischen Pierers Rücktritt. Die Regierungskommission Corporate Governance zieht möglicherweise Konsequenzen aus dem Fall Siemens.

In dieser Woche hat die Affäre um schwarze Kassen im Konzern eine neue Dimension erreicht. Nicht nur, dass jetzt Zahlungen von mehr als 420 Millionen Euro im Konzern als dubios gelten. Mit der Verhaftung von Thomas Ganswindt, der bis Ende September im Zentralvorstand des Konzerns saß, gehört nun auch ein Mitglied der obersten Führungsspitze zu den Beschuldigten. Sein Mandant Reinhard S. habe gegen Ganswindt ausgesagt, bestätigte der Münchner Anwalt des langjährigen Siemens-Mitarbeiters, Wolfgang Kreuzer, dem Tagesspiegel. Reinhard S. gehörte zu den ersten von sieben Verhafteten und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß. „Er hat Herrn Ganswindt belastet, aber nicht die Herren von Pierer und Kleinfeld“, sagte Kreuzer. Es müsse aber weitere belastende Aussagen gegen Ganswindt gegeben haben, sonst wäre es nicht zu seiner Verhaftung gekommen, meint der Anwalt. Ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt ein ehemaliger Finanzvorstand der im Zentrum der Ermittlung stehenden Kommunikationssparte Com. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen rund ein Dutzend aktive und ehemalige Siemens-Mitarbeiter. Sechs sitzen in Untersuchungshaft. „Die meisten singen“, sagte Anwalt Kreuzer. „Aber sie bilden noch keinen Chor.“

Aktionärsvertreter sehen Aufsichtsratschef Pierer in einem Interessenkonflikt. Er war zur fraglichen Zeit Vorstandschef und seine Aufgabe ist es jetzt, die Aufklärung der Affäre zu überwachen. Pierer „wäre gut beraten, selbst freiwillig Konsequenzen zu ziehen“, sagte Willi Bender von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Auch die Regierungskommission Corporate Governance, die einen freiwilligen Kodex für ethische Unternehmensführung formuliert und laufend aktualisiert, beobachtet den Fall: „Die Corporate Governance Kommission wird sich selbstverständlich bei ihren nächsten Arbeitsgesprächen auch mit der Frage beschäftigen, ob im Lichte der jüngsten Ereignisse Anpassungsbedarf entstanden ist“, sagte Kommissionsmitglied Christian Strenger dem Tagesspiegel. So sei „zu prüfen, ob Kodex-Ergänzungen bei den Empfehlungen für das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat und für die Rechnungslegung und Abschlussprüfung sinnvoll sind“. Strenger hält einen Passus im Kodex für denkbar, „wonach besonderes Augenmerk auf die Risikokontrolle im Unternehmen gelegt werden muss“. Gegen Bandenbildung und kriminelle Energie könne ein Unternehmen wenig tun. Aber die Kontrollsysteme müssten funktionieren. „Bei Siemens wird erst rückwirkend – aber leider zu spät, für umfassende Aufklärung gesorgt“, sagte Strenger. „Da auch bei großen deutschen Traditionsunternehmen die Prinzipien ehrbarer Kaufleute vernachlässigt wurden, muss man sich von heiligen Kühen erst recht verabschieden“, fügte der Experte hinzu.

Der zweite Vorsitzende der IG Metall und Siemens-Aufsichtsrat Berthold Huber sagte dem Tagesspiegel, die Struktur des Konzerns sei so komplex, dass „der Vorstandsvorsitzende nicht alles überschauen kann“. Ferner habe die Staatsanwaltschaft von einer „Bande“ gesprochen, was Huber zufolge auf einen kriminellen Kreis schließen lässt, dessen Machenschaften derzeit in der gesamten Dimension noch nicht zu überblicken seien. Schließlich, sagte Huber, habe er bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung vergangenen Montag den Eindruck gewonnen, dass der Vorstand alles unternehme, um die Affäre aufzuklären. Weder für Vorstandschef Kleinfeld noch für Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer sehe er deshalb Gründe zum Rücktritt, sagte Huber.

Henning Gebhard, Leiter des Fondsmanagements für deutsche Aktien bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft, der Deutsche-Bank-Tochter DWS, sieht die Gefahr, „dass Siemens in der Zukunft bei Aufträgen nicht berücksichtigt wird. Das wird man dann gegebenenfalls in den Büchern nachlesen können.“ Die DWS setze sich mit dem Thema sehr intensiv auseinander. „Wir verstehen uns dabei als aktive Fondsmanager. Wir müssen in einem Unternehmen nicht investiert sein.“, sagte Gebhard. Die DWS ist mit einer Milliarde Euro bei Siemens investiert und hält 1,5 Prozent der Aktien.

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