zum Hauptinhalt

Adresshandel: Datenschützer billigt Ausnahmen vom Datenschutz

Der Bundesbeauftragte Peter Schaar ist beim Adresshandel zu Kompromissen bereit – aber nicht für Verlage. Sie sehen tausende Arbeitsplätze bedroht.

Berlin - Peter Schaar, oberster Datenschützer in Deutschland, kann sich verschiedene Ausnahmen von den strengen Regeln für den Adresshandel vorstellen. „Beim Grundsatz, dass die personenbezogenen Daten zukünftig nur mit Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen an Dritte weitergegeben werden dürfen, muss es aber bleiben“, sagte Schaar dem „Handelsblatt“ einen Tag vor Beginn des 10. Datenschutzkongresses in Berlin. Datenschutzrechtsexperten appellieren an die Bundesregierung, eine „verträgliche Lösung“ für Wirtschaft und Bürger zu finden.

Schaar will angesichts der Spähangriffe bei Telekom, Bahn oder Lidl die Bundesregierung auffordern, zügig das neue Datenschutzgesetz zu beschließen. Er begrüßte grundsätzlich die jüngsten Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der vor einem „Super-GAU des Datenschutzes“ gewarnt hatte.

Geht es nach der großen Koalition aus Union und SPD, soll das Datenschutzrecht an mehreren Punkten geändert werden. Aus Sicht der Wirtschaft ist neben der Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes vor allem die geplante Einschränkung des Datenhandels wichtig. Firmen sollen danach persönliche Informationen nur noch mit der Zustimmung der Betroffenen weitergeben dürfen. Derzeit gilt noch das sogenannte Listenprivileg, also die Befugnis, bestimmte einmal erhobene personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen an Dritte zu verkaufen. Schaar zeigte sich hier nicht kompromissbereit: „Das Listenprivileg ist eine wesentliche Quelle für einen mittlerweile völlig undurchsichtigen Datenmarkt.“

Viele Wirtschaftszweige, darunter auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, fürchten jedoch, dass durch die Neuerungen die Werbung von Neukunden durch direkte Werbebriefe zum Erliegen kommt, und sehen dadurch Tausende von Arbeitsplätzen bedroht.

„Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass sich etwa das Adresshandelsgewerbe oder der Versandhandel gegen schärfere Regelungen für ihren Tätigkeitsbereich wenden“, sagte Schaar. Der von der Bundesregierung im Dezember letzten Jahres beschlossene Gesetzentwurf trage diesen Interessen, soweit sie berechtigt seien, aber durchaus schon weitgehend Rechnung, sagte Schaar.

Der Datenschützer sieht aber auch in anderen Bereichen Kompromisslinien. So könne er sich durchaus vorstellen, dass öffentlich zugängliche Adressverzeichnisse auch weiterhin ohne Einwilligung der Betroffenen für Werbezwecke verwendet werden dürften. „Auch im Hinblick auf die Bewerbung für die Produkte anderer Unternehmen, die sogenannte Empfehlungswerbung, sehe ich Kompromissmöglichkeiten, wenn dabei die Transparenz für die Betroffenen gewahrt bleibt“, sagte Schaar.

Ausnahmen sind laut Schaar bereits für Spendenakquisitionen gemeinnütziger Organisationen vorgesehen. „Für vertretbar hielte ich auch eine Sonderregelung für Markt- und Meinungsforschungsinstitute, soweit für die Forschung ausschließlich pseudonymisierte beziehungsweise anonymisierte Daten verwendet werden.“ Darüber hinausgehenden Ausnahmen steht Schaar kritisch gegenüber. Gefordert werden diese für die Presse, Verlage und Versicherungen.

In den jüngsten Datenskandalen bei Bahn, Telekom oder Lidl sieht Schaar nur die Spitze des Eisbergs: „Wenn etwa im Fall eines Datenmissbrauchs die Informationen nur scheibchenweise bekannt werden, deutet dies darauf hin, dass es sich nicht um wenige Einzelfälle handelt, sondern um ein grundlegenderes, vielleicht sogar strukturelles Problem“, sagte Schaar.Thomas Sigmund (HB)

Thomas Sigm, (HB)D

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false