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Die Airport-Ambulanz. Bis zu 100.000 Patienten jährlich wollen Vivantes und Sana ab Mitte 2012 im Gesundheitszentrum am Flughafen BBI versorgen.

© Simulation: Fay Projects / Berliner Flughäfen

Exklusiv

Flughafen BBI: Ärztehaus an der Landebahn

Klinikkonzerne planen am Flughafen BBI ein großes Gesundheitszentrum – für Patienten aus aller Welt. Zwischen 80.000 und 100.000 Patienten sollen dort jährlich versorgt werden.

Ein Medizinzentrum mit einer Landebahn direkt vor der Praxistür – davon träumten vor Jahren schon Investoren, die den Flugbetrieb am inzwischen geschlossenen Flughafen Tempelhof fortsetzen wollten. Gutsituierte Patienten aus aller Welt hätten dann quasi direkt auf den Operationstisch einer luxuriösen Klinik fliegen können. Diese Idee wird nun am neu entstehenden Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld verwirklicht, wenn auch weniger exklusiv, als für Tempelhof geplant.

Die Klinikkonzerne Vivantes und Sana werden am BBI gemeinsam ein ambulantes Gesundheitszentrum eröffnen, in dem jährlich zwischen 80 000 und 100 000 Patienten versorgt werden sollen. Alle Kranken – ob gesetzlich oder privat versichert – seien willkommen, sagte Joachim Bovelet, Geschäftsführer der berlineigenen Klinikgruppe Vivantes, dem Tagesspiegel. Der neue Flughafen biete ein großes Einzugsgebiet, aus dem man die zukünftigen Patienten gewinnen wolle. Zum einen durch die rund 40 000 Arbeitsplätze, die durch den BBI entstehen sollen. Zum anderen unter den jährlich mehr als 20 Millionen Reisenden, die durch den Flughafen geschleust werden. Und schließlich aus dem Umfeld von Schönefeld, in dem bald 20 000 Menschen mehr als heute leben werden. Langfristig strebe man auch die Übernahme der betriebsärztlichen Versorgung für die Flughafenmitarbeiter an, heißt es.

In dem ambulanten Gesundheitszentrum sollen alle wesentlichen Fachrichtungen – etwa Allgemeinmedizin, Kardiologie, Gynäkologie, Orthopädie, Hals–Nasen-Ohrenheilkunde und Urologie – vertreten sein. Eine richtige Klinik am Flughafen, die Patienten stationär versorgt, halten die Planer aber für unwirtschaftlich. Diese Ansicht überrascht nicht, sind die Betreiber doch große Klinikkonzerne, die in unmittelbarer Nähe des BBI Krankenhäuser haben. Etwa das Klinikum Dahme-Spreewald mit dem Standort Königs Wusterhausen, das von Sana gemanagt wird, und das Klinikum Neukölln, das zu Vivantes gehört. Sind stationäre Behandlungen nötig, dann werden die Patienten wohl in diese Häuser verlegt.

Sana hat bereits einige Erfahrungen mit Gesundheitszentren am Flughafen. Seit 2009 ist der private Klinikkonzern für das Management der Airportclinic am Flughafen München verantwortlich. „Von diesen Erfahrungen wird auch das Gesundheitszentrum am BBI profitieren“, sagt Jens Schick, Sana-Generalbevollmächtigter für die Region Ost.

Das Ärztehaus wird in den Büro- und Geschäftskomplex „BBI Airport City“ ziehen, in unmittelbarer Nähe zum Terminal. Im neuen Gebäude, das insgesamt 87 000 Quadratmeter Fläche bietet, hat man 1500 Quadratmeter für Arztpraxen angemietet. Für weitere externe Dienstleister wie Apotheken oder Physiotherapeuten seien angrenzende Flächen reserviert. Das Gesundheitszentrum soll mit der geplanten Eröffnung des BBI Anfang Juni 2012 ans Netz gehen.

Natürlich wollen die Betreiber die besonderen Standortvorteile offensiv vermarkten. Bis zu jährlich 6000 Patienten sollen aus dem EU-Ausland kommen. „In einigen Ländern wie etwa Großbritannien müssen die Patienten sehr lange auf einen Arzttermin warten“, sagt Vivantes-Chef Bovelet. „Da kommen sicher einige gern mal mit dem Flugzeug in unser Ärztehaus, um sich fachärztlich behandeln zu lassen.“ Zumal die Behandlungskosten im Rahmen der Sozialversicherungsabkommen nach der jeweiligen Rechtslage in den EU-Staaten erstattet werden.

Aber auch die wohlhabenden Selbstzahler aus dem Ausland – Gesundheitstouristen genannt – will man mit dem direkten Flughafenanschluss nach Schönefeld locken. Die Betreiber erhoffen sich jährlich ein halbes Prozent Gesundheitstouristen, also bis zu 500 Kranke. Vor diesem Hintergrund verhandele man derzeit über Kooperationen mit Airlines und Flughafenhotels. Im Idealfall kann also ein Patient künftig gleich ein ganzes Paket aus medizinischer Behandlung, Flug zur Therapie und Übernachtung danach buchen. Die Öffnungszeiten des Ärztehauses sollten servicefreundlicher als die normaler Praxen sein, sagt Bovelet. „Erfahrungen zeigen, dass Öffnungszeiten von sechs bis 22 Uhr am Flughafen besonders viel Umsatz bringen.“

Nun aber müssen die Betreiber erst einmal nach Ärzten suchen, die in dem Zentrum arbeiten wollen. Angestrebt wird eine Mischung aus angestellten und niedergelassenen, also freiberuflichen Medizinern sowie Klinikärzten. Die genaue Zusammensetzung sei erst in der Zukunft absehbar. Und das hat einen klaren wirtschaftlichen Hintergrund. Wollen Ärzte Kassenpatienten behandeln, benötigen sie dafür eine Zulassung, einen Arztsitz. Will man also ein Gesundheitszentrum gründen, muss man für die Mediziner solche Arztsitze haben. Und die werden oft von niedergelassenen Medizinern, die ihre Sitz aufgeben, angekauft. Bei einer begehrten Fachrichtung kann so etwas bis zu 200 000 Euro kosten.

Je mehr niedergelassene Ärzte aber mit ihrem bestehenden Arztsitz in das Gesundheitszentrum wechseln, desto preiswerter wird es für die Betreiber, weil sie weniger Sitze kaufen müssen. Trotzdem: Billig ist so ein Zentrum nicht. Vivantes und Sana rechnen mit Investitionskosten von drei bis fünf Millionen Euro. Die ärztliche Versorgung in Brandenburg wolle man durch die für das Zentrum angeworbenen Doktoren aber nicht gefährden, betont Sana-Regionalgeschäftsführer Schick. Und so unterstützt auch Stephan Loge (SPD), Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald, das Projekt als „sinnvolle Erweiterung des medizinischen Angebotes direkt am Flughafen“.

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