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Nachschlag, bitte! Händler an der Börse in Chicago können dank der schwankenden Preise viel Geld verdienen. Foto: dpa

© AFP

Agrar-Rohstoffe: Zocken mit Arabica und Zucker

Kaffee, Kakao, Weizen: Spekulanten haben die Agrar-Rohstoffe für sich entdeckt – und sorgen immer häufiger für Preisschwankungen.

Weizen statt Gold, Kaffee statt Öl: Spekulanten investieren zunehmend in Agrarrohstoffe. Die Märkte sind leicht zu überblicken, und die Einflussmöglichkeiten einzelner Investoren sind groß. Kürzlich löste ein einzelner britischer Hedgefonds und Kakaohändler am Kakaomarkt einen massiven Preisanstieg aus: Er sicherte sich an der Londoner Warenterminbörse Liffe, an der die meisten europäischen Süßwarenhersteller ihre Kakaobohnen kaufen, die Restbestände – 240 100 Tonnen Kakao, nahezu sieben Prozent der globalen Jahresproduktion – und ließ sie sich bei Fälligkeit des Kontraktes ausliefern. Der Kakao war plötzlich knapp, und das gerade zu der Zeit, in der die Hersteller für die Produktion ihrer Schokoladenweihnachtsmänner einkaufen. Der Kakaopreis schnellte auf ein 30-Jahres-Hoch: Die Tonne kostete kurzzeitig 2732 Pfund (umgerechnet 3274 Euro). Nun ist der Preis wieder gesunken: Kakao, der im September ausgeliefert wird, kostete am Freitagabend nur noch 2195 Pfund.

Auch bei anderen landwirtschaftlichen Produkten ist es jüngst zu Preisausschlägen gekommen. Durch die Dürre in Russland und den vorläufigen Exportstopp explodierten die Weizenpreise in der vergangenen Woche auf mehr als 230 Euro pro Tonne. Rund 20 Millionen Tonnen hätte das Land in dieser Erntesaison exportieren sollen.

Nach Meinung von Analysten sind an den hohen Preisen auch die Spekulanten schuld. Denn trotz Überschwemmungen in Kanada und der Brände in Russland sind die weltweiten Weizenlager gut gefüllt, die Ernte in den USA war gut. „Investoren hatten in den ersten Monaten des Jahres aufgrund hoher Lagerbestände noch auf fallende Weizenpreise gewettet“, sagt Heinrich Peters, Analyst bei der Helaba. Sie wurden auf dem falschen Fuß erwischt und mussten sich zu ungünstigen Konditionen mit Kontrakten eindecken. „Das hat die Preise zuletzt zusätzlich getrieben“, erklärt Peters.

Kurzfristig müssen sich die Marktteilnehmer auf weiter steigende Weizenpreise einstellen – so lange die Ernte noch läuft. Eine Preisrallye wie im Jahr 2008, als der Weizenpreis auf mehr als 13 Dollar pro Bushel (rund 35 Liter) stieg, sehen Analysten aber nicht. „Ab Mitte September dürften die Preise wieder fallen, weil die Lager voll sind und für nächstes Jahr mit einer Ausweitung der Anbauflächen zu rechnen ist“, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank.

Auch andere Getreidesorten wie etwa Mais sind durch die Dürre in Russland betroffen. In den ersten Monaten des Jahres stagnierte der Maispreis, im Juli stieg er plötzlich. Analysten erwarten, dass das auch so bleibt. „Mais wird gerade als Substitut für Weizen verwendet. Zudem gibt es eine steigende Nachfrage aus China und nach Biotreibstoff“, sagt Fritsch. „Ein weiterer Grund für steigende Maispreise in Zukunft könnte sein, dass nun bei den hohen Preisen verstärkt Weizen angebaut wird und sich Mais verknappt“, sagt Fritsch.

Auch ohne Dürren und schlechte Ernten steigen manchmal die Preise. Nach Angebot und Nachfrage richtete sich der Kaffeepreis in den vergangenen Monaten nicht. Die hauptsächlich in Kolumbien und Brasilien angebaute Kaffeesorte Arabica stieg im Juni innerhalb kürzester Zeit um 30 Prozent im Preis. Ende Juni stand er bei 1,76 Dollar pro Pfund und damit auf dem höchsten Stand seit Februar 1998. Und das, obwohl die kolumbianische Ernte, die im Oktober auf den Markt kommt, besser ausgefallen sein soll, als erwartet worden war. „Der hohe Preis geht nicht auf Angebotsverknappung zurück, sondern auf Anleger“, sagt Analyst Fritsch vorsichtig. Im Klartext: Auch hier hatten offenbar Spekulanten den Preis getrieben. Derzeit kostet Arabica an der Börse New York Board of Trade 1,67 Dollar pro Pfund.

Doch auch die Kaffee-Preise dürften bald wieder fallen. „Wir erwarten, dass im vierten Quartal nach den Ernten die Preise nach unten gehen“, sagt Fritsch. Experten von der Bank Barclays Capital rechnen künftig mit einem Durchschnittspreis für Arabica-Kontrakte von 1,45 Dollar pro Pfund.

Beim Zucker hatten zu Anfang des Jahres Überschüsse für einen starken Preisverfall gesorgt. Indien, neben Brasilien und China einer der drei weltweit bedeutendsten Zuckerproduzenten, hatte seine Ernteprognosen nach oben korrigiert. Der Zuckerpreis büßte in den ersten Monaten des Jahres fast 30 Prozent ein. Wegen der niedrigen Preise hatten Hersteller mit den Käufen gewartet, weil sie auf weiter sinkende Preise gehofft hatten. „Nun ist klar, dass der Tiefpunkt erreicht ist, und nun wird gekauft“, sagt Fritsch. Mittlerweile hat sich der Zuckerpreis von seinem Tief erholt und könnte wegen der anziehenden Nachfrage kurzfristig weiter steigen. „Nach der Ernte in Indien könnte sich der Preis zwischen 15 und 18 Cent einpendeln“, sagt Fritsch.

Auch beim Kakao-Preis erwarten Analysten, dass er langfristig wieder sinkt – natürlich abhängig von der Frage, wie die Ernte in Westafrika ausfällt. Denn obwohl der Rohstoff gerade knapp ist, geht der Blick der Anleger in die Zukunft: Für nächstes Jahr, so sagt Analyst Fritsch, wird wieder ein Kakaoüberschuss erwartet.

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