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Agrarpolitik: "Zorn im Herzen"

Die Bauern sehen sich beim Konjunkturpaket benachteiligt. Dafür kündigt Brüssel Hilfe bei der Milch an.

Berlin - Die Bauern fühlen sich durch das neue Konjunkturpaket der Bundesregierung benachteiligt. „Ich habe Zorn in meinem Herzen, wenn ich sehe, dass die, die die Misere verursacht haben, mit Abermilliarden-Beträgen entlastet werden “, sagte Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, kurz vor Eröffnung der Grünen Woche in Berlin. „Ich hätte gedacht, dass auch den Landwirten unter die Arme gegriffen wird.“ Die neue Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) habe sich zwar beim Aushandeln des neuen Konjunkturpaketes für die Bauern engagiert, er habe aber „mehr erwartet“, sagte Sonnleitner. Milliardenbeträge für die Landwirte werde er nicht fordern, bekräftigte Sonnleitner. Allerdings erwarte er „Wettbewerbsgleichheit“.

Mehr Kritik an Aigner wäre auch noch nicht drin gewesen. Die Nachfolgerin von Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU), die ihre erste Grüne Woche als Ministerin erlebt, war am Donnerstag erst den 76. Tag im Amt. Sie wies die Kritik übrigens umgehend zurück. Landwirte würden – wie andere Branchen auch – von den Einkommensteuererleichterungen und der Senkung des Krankenversicherungsbeitrags profitieren, die im zweiten Konjunkturpaket enthalten sind, sagte die 44-Jährige. Auch der geplante Ausbau der Breitbandnetze komme dem ländlichen Raum zugute.

Auch sonst hat Aigner den Landwirten bisher wenig Grund zur Klage gegeben. Im vergangenen Herbst hatte sie – noch ganz frisch im Amt – in Brüssel einen Milchfonds für die deutschen Bauern durchgedrückt. Er sieht Ausgleichszahlungen dafür vor, dass die Milchbauern in den nächsten Jahren stufenweise aus der Quote und in die Marktwirtschaft entlassen werden. Angesichts des derzeitigen Preisverfalls für Milch und andere Molkereiprodukte will Aigner darauf dringen, dass das Milchgeld früher fließt als geplant, wie sie am Donnerstag ankündigte. Eigentlich sollen die Mittel erst ab 2010 bereitstehen.

Den Bauern dürften das gefallen. „Die jetzige Durststrecke bei den Preisen werden wir nicht lange durchhalten können“, klagte Sonnleitner. In den Discountern kostet die Literpackung Vollmilch derzeit nur 55 Cent. Die Bauern bekommen teilweise weniger als 30 Cent für die Milch. Um kostendeckend arbeiten zu können, fordern sie 43 Cent pro Liter.

Aus Sorge, dass auch die Exporte unter der weltweiten Rezession leiden könnten, forderte Sonnleitner Aigner auf, sich in Brüssel für kurzfristige Exportbeihilfen bei Milch und Fleisch einzusetzen. Er stelle sich „kurzfristige Überbrückungshilfen“ für Ausfuhren in Länder vor, die wegen des derzeit starken Euro auf die Idee kommen könnten, ihre Produkte künftig im Dollarraum günstiger einzukaufen, erläuterte er.

Der Hilferuf scheint auch in Brüssel blitzschnell erhört worden zu sein. EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel kündigte gestern überraschend neue Exportbeihilfen für Vollmilch- und Magermilchpulver, Butter und Käse an. Eine Summe nannte sie nicht. Erst vor eineinhalb Jahren waren die Exportbeihilfen für die Agrarwirtschaft abgeschafft worden. Sie sind umstritten, weil durch die künstliche Verbilligung der EU-Ausfuhren Agrarmärkte in Drittweltländern geschwächt werden. „Wir müssen jetzt etwas tun“, sagte Fischer Boel in Berlin. „Die Heftigkeit des Preisverfalls von Milch in den letzten Monaten hat viele überrascht.“ Die Wirtschaftskrise habe zu einer weiteren Verschlechterung beigetragen. Die Dänin zeigte sich zudem offen, für den geplanten Milchfonds bereits in diesem Jahr Geld bereitzustellen und nicht erst 2010. Der Deutsche Bauernverband bewertete die Pläne positiv. „Dass die Kommission so schnell reagiert hat, ist ein gutes Zeichen für den Markt und für die Erzeuger“, sagte ein Sprecher. Auch Agrarministerin Aigner sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Die Milchbauern dürften in der jetzigen Situation nicht alleine gelassen werden.

Bislang konnten sich die Bauern über mangelnde Unterstützung nicht beklagen. Die EU-Agrarpolitik verschlingt jährlich mehr als 42 Milliarden Euro. Rund sechs Milliarden davon fließen nach Deutschland. mit dpa

Maren Peters

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