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Wirtschaft: Agrarzölle sollen noch stärker sinken

Handelskommissar Peter Mandelson bietet eine Senkung von 47 Prozent an – Frankreich protestiert

Von Michael Schmidt

Berlin - Die EU-Kommission hat am Freitag trotz des harten Widerstands Frankreichs einen neuen Vorschlag für eine weitere Liberalisierung des Welthandels vorgelegt. Dieser Vorschlag geht bei der Senkung der Agrar-Importzölle deutlich weiter als bisher. Im Schnitt sollen die europäischen Einfuhrabgaben auf landwirtschaftliche Produkte um 47 Prozent gesenkt werden. Bei den höchsten Zöllen bietet die EU eine Reduzierung um 60 Prozent an. Anfang des Monats hatte Handelskommissar Peter Mandelson noch vorgeschlagen, die Abgaben im Schnitt nur um 25 Prozent zu senken. Das war bei den USA auf heftige Kritik gestoßen – sie schlagen Senkungen um 90 Prozent vor.

Im Dezember treffen sich in Hongkong 148 Minister der Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation. Auf der Ministerkonferenz wollen sie sich auf einen Entwurf für den Abschluss der Doha-Handelsrunde einigen (siehe Kasten). Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden, die Zeit drängt. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hatte am Donnerstag jedoch damit gedroht, eine Einigung mit einem Veto zu blockieren, wenn die Einschnitte für die Bauern zu groß seien. Wenn die Zölle sinken, kommen auch mehr Agrarprodukte aus Entwicklungsländern auf den EU-Markt, zu niedrigeren Preisen. Viele EU-Bauern wären dann nicht konkurrenzfähig.

Das Veto kommt allerdings erst bei einem endgültigen Entschluss zur Geltung, der frühestens 2006 zu erwarten ist. Momentan hat Handelskommissar Mandelson zwar das Verhandlungsmandat. Dennoch muss er Interesse daran haben, dass die EU-Staaten mit seinem Vorschlag einverstanden sind. Frankreich zufolge geht Mandelson mit dem neuen Vorschlag über sein Mandat hinaus. Mandelson sagte dagegen am Freitag, der Vorschlag sei gerade noch im Rahmen seines Mandats. Die EU-Kommission verhandele „im besten Interesse Europas und auch Frankreichs“, sagte er. Die EU sei mit dem Angebot aber bis an ihr Limit gegangen.

Frankreich ist nicht das einzige Land, das um die Einkommen seiner Landwirte fürchtet. Auch andere Staaten, in denen die Landwirtschaft noch eine wichtige Rolle spielt, wie Spanien, Portugal, Griechenland, Irland, Ungarn oder Polen, wollen eine zu starke Öffnung der Märkte vermeiden. Frankreichs traditioneller Partner Deutschland steht hingegen auf der Seite der Kommission.

Ob das neue Angebot als Verhandlungsgrundlage ausreichen wird, ist noch offen. Das erste Angebot, das eine Reduzierung der Zölle um 25 Prozent vorsah, war von den USA und anderen Staaten als völlig unzureichend zurückgewiesen worden. Experten sehen die Offerte unterschiedlich. „40 Prozent und mehr sind eine Verhandlungsgrundlage“, sagte Kimberly Ann Elliott vom Institute for International Economics und dem Center for Global Development in Washington dem Tagesspiegel. Dean Spinanger vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel ist pessimistischer. „Zwischen den Angeboten der USA und der EU liegen Welten“. Die EU werde noch weiter heruntergehen müssen im Laufe der Verhandlungen.

Eine Gesprächsrunde von Vertretern der Europäischen Union, der USA, Australiens, Brasiliens und Indiens über den Agrarstreit sollte noch am Freitagnachmittag beginnen. Mandelson erklärte: „Europas wichtigste Handelspartner müssen verstehen, dass diese Offerte gebunden ist an sofortige Bewegung bei Industriegütern und Dienstleistungen.“ In diesem Bereich fordert die EU Zugeständnisse der Partner.

Die Agrarsubventionen seien aus Sicht der Entwicklungsländer der politische Schlüssel für einen Erfolg der Doha-Verhandlungen, sagt Kimberly Ann Elliott vom Institute for International Economics. „In diesem Bereich sind die Steuern am höchsten, in diesem Bereich ist am meisten Spielraum“, sagt sie. „Für einige Entwicklungsländer ist der Agrarbereich auch ökonomisch, zumindest kurzfristig, von großer Bedeutung.“ In rund 20 Entwicklungsländern mache der Anteil von Agrarprodukten am Gesamtexport mehr als 50 Prozent aus. „Mittel- und langfristig dürften die nichtagrarischen und Dienstleistungs-Bereiche für die Entwicklung in den Entwicklungsländern aber entscheidender sein.“

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