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Segel setzen. Wassersportlehrer sind in Berlin gefragt. Allerdings nur im Sommer. Für den Winter müssen sie sich eine gute Alternative einfallen lassen: Entweder, sie suchen einen Job in wärmeren Regionen. Oder sie ziehen vorübergehend in die Berge und werden auch noch Skilehrer. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Ahoi!

Berufe am und auf dem Wasser gelten als Traumjob – vom Surf- und Segellehrer bis zum Spezialisten für Bootsservice. Wer im Sommer auf den Geschmack gekommen ist, kann ab dem Herbst eine Weiterbildung belegen und den Quereinstieg wagen.

Am besten gefällt Benjamin Karsch an seiner Arbeit der Moment, wenn seine Schüler seetüchtig werden: Wenn er ihnen im Segelboot oder auf dem Surfbrett in kürzester Zeit etwas beibringen kann und er sieht, wie sie auf dem Wannsee schnell ihren Alltag hinter sich lassen. Und wenn der 33-Jährige trotz Selbstständigkeit und ständigem Ausbau seines Betriebs mal einen Moment frei und einen guten Wind vor der Tür hat, schnappt er sich ein Boot oder ein Brett und zieht selbst über den See.

Mit dem Ende eines langen Badesommers in Berlin fragen sich manche, wie es wohl wäre aus der Begeisterung für Wasser, für Bewegung im Freien und für Schiffe und Boote einen Beruf zu machen. Denn die berufliche Aus- und Weiterbildung für maritime Berufe konzentriert sich zwar in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Berlin und Umgebung gibt es Kursangebote für die Arbeit am Wasser.

Das Interesse Wassersportlehrer zu werden sei groß, sagt Benjamin Karsch, aber qualifizierte Lehrer für seine Schule Windsurfing Berlin zu finden, sei schwer. Die anstrengende Arbeit während der Saison entspricht nicht dem Klischee vom schönen Leben als Surflehrer am Strand. Um sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen, braucht man viel Initiative und gute Ideen für den Winter. Karsch selbst hat eigentlich Buchbinder gelernt, wurde aber mit 24 Jahren arbeitslos und entdeckte in der Zeitung den Lehrgang Wassersportlehrer. Schon als Teenager war er mit großer Begeisterung gesurft und hatte damals gescherzt, er mache mal eine Schule auf.

Der Lehrgang Wassersportlehrer ist auch für Quereinsteiger gut geeignet, sagt Axel Schmidt vom Anbieter Yacht Akademie in Bad Saarow am Scharmützelsee, wo auch Karsch Unterricht hatte. Die Wassersportschulen in Berlin und Brandenburg hätten Bedarf an qualifizierten Lehrern – die Schulen werden nicht nur von Hobbysportlern nachgefragt, sondern auch von Unternehmen für Team-Building, von Eltern für Kinderbetreuung und von Sportstudenten. Wegen der hohen Fluktuation, könne man europaweit in Wassersportschulen leicht einen Einstieg finden.

Der einjährige Kurs vermittelt im Sommer Grundkenntnisse für Lehrer im Windsurfen, Katamaran- und Jollen-Segeln, im Winter bekommt man die Basis, um Boote zu reparieren. Dazu kommen Wetterkunde, Englisch, Betriebswirtschaft und Computerkenntnisse. „Alles was zu einer Segelschule dazugehört“, sagt Axel Schmidt, der selbst Sportwissenschaften studiert und sich auf das Segeln spezialisiert hat. Körperliche Fitness sei eine Grundvoraussetzung für Teilnehmer, weil man sich als Wassersportlehrer bei heißem und kaltem Wetter im Freien bewegt. Altersgrenze gebe es aber nicht, das hänge sehr von der Sportart ab. Während man als Lehrer für Kitesurfen bis zu acht Stunden selbst im Wasser ist und auch sein Gerät immer wieder aus dem Wasser ziehen muss, sei eine gewisse Reife bei Segel- oder Motorbootlehrern für viele Schüler ein Bonus. Einer seiner Schüler habe als 58-Jähriger als Segellehrer begonnen und schon an der Ostsee, in Griechenland und auf Mallorca gearbeitet. Andere Kursteilnehmer waren früher Lehrer, Betriebswirte oder Journalisten und wollten an die frische Luft.

Doch Interessenten sollte klar sein, dass die Arbeit am Wasser in Deutschland Saisonarbeit ist. Das bedeutet in der warmen Jahreszeit intensive Arbeit an sechs Tagen pro Woche und kaum Urlaub. Verträge laufen meist über acht bis neun Monate. Gerade Einsteiger, die in Deutschland bleiben wollen, tun sich im Winter schwer über die Runden zu kommen, sagt Schmidt. In den letzten Jahren haben Interessenten zunehmend Schwierigkeiten, sich Kurse Wassersport oder Bootsservice über die Agentur für Arbeit fördern zu lassen. Einsteigern rät er, sich auch in gegenläufigen saisonalen Branchen zu qualifizieren, etwa als Ski- oder Snowboardlehrer, andere kombinieren mit Indoor-Sportarten oder arbeiten als Fitnesstrainer. Schmidt selbst beschäftigt an seiner Schule während der Saison zehn bis zwölf Leute, im Winter sechs bis acht. Für die übrigen sucht er Kooperationen, zum Beispiel mit Freizeitbädern.

Die Probleme der Saisonarbeit gelten auch für andere Berufe am Wasser: etwa für Fachkräfte im Bootsservice, die im Bootsverleih oder -handel, in Service-Stationen, Werften und Marinas arbeiten. Auch hierfür gibt es ein Weiterbildungsangebot in Berlin. Im Kurs lernt man Bootsmotoren, Bootselektrik und ausgewählte Schweißverfahren kennen, außerdem gehören Kundenberatung, Wasserrecht und Wasserwege in Deutschland zu den Unterrichtsinhalten und die Vorbereitung für den Sportbootführerschein.

Auch Touristikassistenten mit Vertiefung Kreuzfahrtmanagement, wozu man sich ebenfalls in Berlin ausbilden lassen kann, kennen den Dauereinsatz an Bord. Neben allgemeiner Hotel- und Reisetouristik lernen Teilnehmer die speziellen Anforderungen auf Kreuzfahrtschiffen kennen: zum Beispiel wie man Gästebetreuung auf einem Schiff oder Landausflüge organisiert. Weil die Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff so anstrengend ist, wechseln die meisten Absolventen aber nach ein paar Jahren in andere Stellen im Tourismus.

Direkt nach dem Lehrgang zum Wassersportlehrer hat Benjamin Karsch das Gefühl genossen, über den Tellerrand seines alten Lebens zu schauen. Er ging zu einer Wassersportschule auf Fuerteventura, den Kontakt bekam er direkt über die Yacht Akademie, dort wurde er sogar stellvertretender Stationsleiter. Zurück in Berlin begann er aber wieder am Anfang: als Essenslieferant finanzierte er sich einen alten VW-Bus, den er dann in der Wassersport-Saison zu seiner „mobilen Surfschule“ umfunktionierte. Er packte zwei, drei Bretter in den Wagen, sammelte seine Schüler in der Stadt ein und fuhr mit ihnen gemeinsam zum See. Seit drei Jahren hat er nun die eigene Wassersportschule, daneben verleiht er Segelboote, Tret-, Ruderboote und Kajak und vermietet die Schule am Strand für Veranstaltungen. In der Zukunft möchte er wie große Segelschulen im Winter Sportbootunterricht anbieten oder Yachtkurse im Ausland.

Auch befreundete Segel- und Surflehrer hätten sich mittlerweile nach weiteren Perspektiven umgeschaut, erzählt Karsch. Manche machten eine Ausbildung zum Bootsbauer und könnten damit in der Werftindustrie, im Yachtbau oder in Reedereien arbeiten. Andere haben ein Studium der Nautik begonnen, womit sie später als Kapitän, bei einer Aufsichtsbehörde oder in der Hafenwirtschaft tätig sein können. Hauptsache sie bleiben am Wasser.

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