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Gleitflug. Nach einem Jahr unter Hartmut Mehdorn ist Air Berlin schlanker organisiert. Die Schuldenlast und wenig Eigenkapital belasten die Gesellschaft aber stark.Foto: dapd

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Wirtschaft: Air Berlin braucht Geld

Eigenkapitalquote auf extrem niedrigem Niveau.

Berlin - Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag in Südfrankreich hat Hartmut Mehdorn offenbar heil überstanden. Nun ist er zurück in der Air-Berlin-Zentrale, die er seit fast genau einem Jahr führt. Auf die Frage, wie oft er es schon bereut habe, den Posten angenommen zu haben, sagte er am Mittwoch: „Ich habe es überhaupt noch nicht bereut.“ Das Ganze sei eine „Challenge“, eine Herausforderung, „aber das macht ja auch Spaß“.

Für ihn ist es ein Spiel. Mehdorn spielt mit Leidenschaft, feierte in dem Jahr auch schon Etappensiege, ob er aber am Ende gewinnen kann, bleibt fraglich. Die am Mittwoch vorgelegten Geschäftszahlen zum zweiten Quartal lassen beide Interpretationen zu.

Für einen Erfolg – das wäre die Abwendung einer Insolvenz und das Erreichen der Gewinnschwelle 2013 – spricht die Wirksamkeit des Sparprogramms „Shape & Size“. Allein im zweiten Quartal konnte Air Berlin durch Maßnahmen wie das Streichen unrentabler Strecken 50 Millionen Euro ergebniswirksam einsparen – fünf Millionen Euro mehr als gedacht. So steckte der Vorstand nun die Sparziele noch etwas höher. Im Gesamtjahr 2012 sollen nun 230 statt der geplanten 200 Millionen Euro eingespart werden. Im vergangenem Jahr machte Air Berlin 272 Millionen Euro Verlust. Eine Ursache dafür war, dass die Airline rund 170 Millionen Euro Luftverkehrssteuer abführen musste. Da aber die Chancen nicht schlecht stehen, dass die Steuer Ende 2012 abgeschafft wird, steht hier eine deutliche Entlastung in Aussicht.

Unterm Strich stieg das Minus, wie vergangene Woche berichtet, gegenüber dem Vorjahr um 51 auf 66 Millionen Euro. Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer erklärte dies mit einer Steuergutschrift im Vorjahresquartal, die einen Vergleich kaum zulasse. Vor Steuern (Ebit) verringerte sich das Minus binnen Jahresfrist um neun Prozent auf 29 Millionen Euro.

Weniger unrentable Strecken, bessere Auslastung, ein höherer durchschnittlicher Ticketpreis, auch die Partnerschaften mit Etihad und im One-World-Bündnis führen Air Berlin neue Fluggäste zu: Und doch bekommt Air Berlin die Nase nicht hoch. Denn die Finanzlage ist erdrückend: Auf dem Konzern lasten Schulden in Höhe von 800 Millionen Euro. Am Jahresende sollen es nur noch 500 Millionen sein. Wie das gehen soll, sagten Mehdorn und Hüttmeyer nicht. Von der Kreditlinie in Höhe von 255 Millionen Dollar habe man bereits 200 Millionen (153 Millionen Euro) abgerufen.

Auch das Eigenkapital schwindet in einem Maße, das Analysten erschreckt: Im Jahr 2010 verfügte die Airline noch über 505 Millionen Euro, 2011 über 254 Millionen. Ende Juni standen nur noch 101 Millionen Euro an Eigenkapital in den Büchern, was einer Quote von vier Prozent entsprach. In der Luftfahrt gelten zehn bis 20 Prozent als Mindestmaß, Lufthansa gab zuletzt eine Eigenkapitalquote von 28,6 Prozent an. Hüttmeyer sagte, dass das Eigenkapital bereits im Juni – also nach dem Berichtzeitraum – wieder um 60 Millionen gewachsen sei. Doch das ändert nichts: Air Berlin braucht dringend mehr Geld.Kevin P. Hoffmann

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