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Wie geht es weiter mit Air Berlin? Die Unternehmensaktie ist derzeit auf einem Tiefststand.

© dpa

Air Berlin verunsichert Aktionäre: Spekulationen über Börsenrückzug und Fusion mit Alitalia

Spekulationen über einen erneuten Umbau der angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin haben die Aktie am Dienstag auf ein historisches Allzeit-Tief abstürzen lassen.

Das Papier rutschte zeitweise um mehr als 18 Prozent ab und notierte bei Börsenschluss bei 0,71 Euro. 2007, ein Jahr nach dem Börsengang, war eine Aktie kurzzeitig mehr als 20 Euro wert. Seither ging es fast stetig bergab – beschleunigt durch die im Sommer 2012 gescheiterte Öffnung des Berliner Großflughafens BER, den Air Berlin als Drehkreuz nutzen wollte. Ende 2011, als die Lage existenzgefährdend wurde, kaufte Etihad Airways, die Staatsfluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, knapp 30 Prozent der Anteile und stützte die Gesellschaft mit Finanzspritzen in dreistelliger Millionenhöhe.

Mehr Aktien kaufen brächte Etihad nicht weiter

Nun spielen die Großaktionäre nach Informationen des „Handelsblatts“ einen Abschied von der Börse durch. Es würden Modelle diskutiert, wie sie den zweitgrößten deutschen Luftfahrtkonzern von der Börse nehmen könnten, ohne die Mehrheit an dem Unternehmen zu erwerben, hieß es in einem Bericht unter Berufung auf Insider. Eine Mehrheitsübernahme wäre nämlich mit dem Verlust von Landerechten verbunden. Nach EU-Regeln muss eine Airline zu mindestens 50 Prozent in Besitz von Anteilseignern aus der EU sein, um hier frei fliegen zu können. Kaufte Etihad weiter Aktien, wäre diese Schwelle nahe, da auch die türkische ESAS Holding zwölf Prozent der Papiere besitzt. Die Türken waren 2009 zum Kurs von rund drei Euro eingestiegen und müssten nun bereit sein, bei einem Verkauf drei Viertel ihres Investments abzuschreiben.

Für Etihad brächte der Rückzug bei allen Verlusten den strategischen Vorteil, dass der Noch-Großaktionär sie mit seiner anderen Beteiligung Alitalia zusammenführen könnte. „Die Überlegungen zu einem Delisting sind nicht neu“, sagte Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) am Dienstag. Die mit rund 800 Millionen Euro (Stand Ende 2014) verschuldete Fluggesellschaft hatte vor zwei Jahren ein entsprechendes Modell geplant, dann aber verworfen. „Ich sehe darin keinen großen Vorteil“. Air Berlin habe ohnehin nur überschaubare Kosten – etwa für die Veranstaltung von Hauptversammlungen oder die Veröffentlichung von Quartalsberichten.

Freie Aktionäre werden enteignet, sagt der Kritiker

„Ein Delisting ist immer zum Nachteil der außenstehenden Aktionäre, die damit ausgetrocknet werden sollen, weil die Aktie nicht mehr handelbar ist“. Sinn mache ein solcher Schritt nur, „wenn es am Ende in einer neuen außerbörslichen Konstruktion mit Alitalia gelingt, die freien Aktionäre zu enteignen“, sagte Kunert. Außerhalb der Börse, mit einem kleineren Kreis großer Aktionäre seien strategische Entscheidungen aber womöglich leichter zu treffen, räumte er ein.

Und was brächte ein Zusammenschluss mit der einstigen italienischen Staatsfluglinie? An Alitalia hatten die Araber von Etihad vor einem Jahr knapp die Hälfte der Anteile gekauft und sie so nach Einschätzung vieler Marktbeobachter vor der Pleite gerettet. Alitalia ist – gemessen am Jahresumsatz, Flottenstärke und Zahl der beförderten Passagiere – ein wenig kleiner als Air Berlin, beschäftigt aber deutlich mehr Mitarbeiter. Fast 12000 waren es Ende 2014, gut 9000 zuletzt bei Air Berlin, rund 2700 davon in Berlin selbst. Es scheint, als sei bei Alitalia mehr Synergien zu heben als bei der recht schlank aufgestellten Air Berlin.

Sprecher von Air Berlin und Etihad äußerten sich Dienstag zunächst nicht zu den Berichten. Air Berlin hatte für das Geschäftsjahr 2014 den höchsten Verlust der Konzerngeschichte verbuchen müssen. Auch in den ersten neun Monaten 2015 flog Air Berlin rote Zahlen ein. Die Jahresbilanz will das Unternehmen am 28. April vorlegen. In den vergangenen Wochen waren neue Sparpläne bekannt geworden, darunter ein Gehaltsverzicht von Managern, möglicherweise auch der Piloten.

Sorge bei Verdi und der Berliner Politik

„Die derzeitige Unternehmensstrategie scheint mir kopflos. Ich würde mir wünschen, dass die Eigentümer einen guten Plan B in der Schublade haben für den Fall, dass es so nicht mehr weitergeht“, sagte Anja Schlosser von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Das Management sollte den Mitarbeitern endlich offen und ehrlich darlegen, wie es um die Zukunft steht und nicht mit immer neuen Beschlüssen für Unruhe in der Belegschaft sorgen.“

Sorgen macht man sich auch in der Berliner Landespolitik. „Wir schauen immer interessiert auf die Entwicklung der Hauptstadt-Airline Air Berlin“, sagt Florian Graf, Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus. Man sei „sehr froh“ gewesen, als vor wenigen Wochen die allermeisten Code-Sharings zwischen Air Berlin und Etihad durch Gerichtsentscheid genehmigt worden waren. „Und genauso positiv wünschen wir uns nun das Ergebnis bezüglich der Überlegungen bei den Anteilseignern: Für uns ist wichtig, dass Air Berlin als erfolgreiche Fluggesellschaft am Heimatstandort Berlin mit allen Mitarbeitern erhalten bleibt, ein umfangreiches Streckennetz anbieten und nach Möglichkeit ausbauen kann“, sagte Graf.

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