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Wirtschaft: Air France greift nach Lufthoheit in Europa

Die Lufthansa bekommt ernste Konkurrenz - Verlierer einer Fusion von Air France mit KLM wäre British Airways

Paris/Berlin (sah/dr). Die Fusion der französischen und niederländischen Luftfahrtgesellschaften Air France und KLM steht offenbar unmittelbar bevor. Nach wochenlangen Diskussionen und harten Verhandlungen ging es kurz vor den außerordentlichen Sitzungen der Aufsichts und Betriebsräte am Montagabend allerdings noch um zwei sehr wichtige Fragen, den Namen der neuen Gesellschaft und das Schicksal des Amsterdamer Flughafens Schiphol. Die Sitzungen waren bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet.

Die niederländische Regierung verlangte bis zum Schluss Zusagen, dass der international sehr gut angebundene Flughafen Shiphol in Amsterdam mit derzeit rund 100000 Mitarbeitern keinesfalls zugunsten des Pariser Flughafens Charles de Gaulle-Roissy Umsatz- oder Verbindungsverluste hinnehmen muss. Aus diesem Grund hatte der niederländische Premierminister Jan-Peter Balkenende die Fusion vor zehn Tagen verhindert. Nun soll Amsterdam offenbar als wichtiger Flughafen erhalten bleiben.

Nach den ausgehandelten Plänen werden beide Fluggesellschaften zunächst unabhängig, das heißt unter ihrem bisherigen Namen, mit ihrem Personal, ihren Verkehrsrechten und ihrer unabhängigen Rechnungslegung, im Rahmen einer Holding zusammenarbeiten. Chef soll der bisherige Air France-Präsident Jean-Cyril Spinetta werden. An dem Zusammenschluss, der gemessen an geflogenen Kilometern die Nummer drei nach den US-Linien American Airlines und Continental wäre, sollen Air France 85 Prozent und KLM 15 Prozent halten. Der KLM-Anteil entspricht letztlich dem Anteil der niederländischen Regierung als KLM-Mehrheitsaktionär. Ihr wird ferner eine „Goldene Aktie“ zugestanden. Den Haag kann also jederzeit strategische Entscheidungen des neuen Unternehmens blockieren. Die neue Gesellschaft würde mit rund 3,6 Milliarden Euro bewertet.

Air France war in den vergangenen zwei turbulenten Jahren, nach den Anschlägen vom 11. September 2001, nach den Problemen mit der Lungenseuche Sars, nach zahlreichen Terrordrohungen im internationalen Luftverkehr, nach dem Irak-Krieg, immer neuen Billigflug-Anbietern und angesichts des immer noch sinkendem Wirtschaftswachstums in Europa, eine der weltweit wenigen Gesellschaften, die sich wacker gehalten hat. Bei einem Umsatz von 12,7 Milliarden Euro erwirtschafteten die Franzosen mit rund 71000 Beschäftigten und 381 Flugzeugen einen Nettogewinn von 120 Millionen Euro. Die niederländische Fluglinie musste hingegen bei einem Umsatz von 6,5 Milliarden Euro einen Nettoverlust von 416 Millionen Euro hinnehmen. KLM zählt rund 31000 Angestellte, 219 Flugzeuge und knapp 20 Millionen Passagiere im Jahr.

Für die deutsche Lufthansa, die nach dem Zusammenschluss von Air France und KLM mit einem Jahresumsatz von 17 Milliarden Euro auf Platz zwei in Europa landen würden, entsteht nach Ansicht von Experten durch die Fusion kein Nachteil. Das Luftfahrtbündnis Star Alliance um die Lufthansa habe eine dominierende Stellung in Europa, vor dem konkurrierenden Air France-Bündnis Sky-Team und dem überwiegend amerikanischen Zusammenschluss One World.

Hans Huff, Analyst der Bankgesellschaft Berlin, geht davon aus, dass vor allem das Nordamerika-Geschäft der neuen Partner gestärkt wird. Die Lufthansa müsse sich nun noch mehr darum bemühen, die Star Alliance in den USA durch Integration des neuen Partners US Airlines zu stärken und gleichzeitig auf eine Stärkung der Profitabilität von United Airlines einzuwirken. Doch „eine Bedrohung für die Lufthansa sehe ich nicht“, sagt Huff. Auch Uwe Weinreich, Analyst bei der Hypo-Vereinsbank sieht für die Lufthansa keine Gefahr. Zunächst dauere es sicherlich noch zwei Jahre, bis die angestrebte Fusion vollständig Früchte trage. Zudem sei die deutsche Fluggesellschaft in Europa so stark, dass sie die Konkurrenz der „Neuen“ nicht zu fürchten brauche. Der eigentliche Verlierer, so Weinreich, werde British Airways sein. Auch die Börse reagierte gelassen. Bis zum späten Nachmittag kletterte die Aktie der Deutschen Lufthansa in Frankfurt um 0,3 Prozent auf 11,71 Euro.

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