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Wirtschaft: Airbus: Beim Start darf man nicht zögern (Leitartikel)

Verlängerungen können manchmal wahre Wunder bewirken. Nicht nur auf dem Fußballplatz.

Verlängerungen können manchmal wahre Wunder bewirken. Nicht nur auf dem Fußballplatz. Sozusagen in letzter Sekunde haben sich die vier Airbus-Partner Frankreich, Spanien, Deutschland und Großbritannien darauf verständigt, für den Bau des geplanten europäischen Großraumflugzeuges, die A 3XX, den Weg zu ebnen. Zwar ist die erteilte "Authorization to Offer" kein industrieller Startschuss, aber ein kommerzieller. Jetzt dürfen Kaufverträge eingesammelt werden. Man will das Monopol von Boeing bezwingen. Europas Luft- und Raumfahrtindustrie zeigt Flagge.

Ernsthaft hatten die europäischen Flugzeugbauer das Zwölf-Milliarden-Dollar teure Mammutprojekt zwar nie in Frage gestellt - wohl wissend, dass ihre stete Forderungen nach gleichen Wettbewerbschancen Wirkung zeigen und die beteiligten Regierungen zur rechten Zeit mit finanzieller Unterstützung nicht geizen würden. Doch Unstimmigkeiten zwischen Paris, Berlin und London über Standorte und Stimmrechte verzögerten das einstimmige Ja-Wort.

Dem geplanten Börsengang des neuen europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) sind diese Zögerlichkeiten nicht gut bekommen. Der fatale Eindruck entstand, das Prestigeprojekt werde am Ende am simplen Machtgerangel von Managern scheitern. Eine längere Hängepartie - über den Beginn der Zeichnungsfrist hinaus - wäre von den Investoren kaum als ein Zeichen von Professionalität interpretiert worden.

Schon beim Sondieren von möglichen Auftraggebern für das neue Riesenflugzeug gab es keinen Anlass zu überschwenglicher Freude. Bis heute stehen die Fluggesellschaften bei Airbus nicht Schlange. Nicht alle glauben an die Notwendigkeit des neuen Großraumflugzeuges. Die finanziellen Risiken sind nicht zu übersehen. Auch unter den potenziellen Käufern gibt es Stimmen, die sich noch keineswegs festgelegt, sondern gleichzeitig Interesse an einem Konkurrenzprodukt von Boeing signalisiert haben. Und das könnte billiger und schneller auf den Markt gebracht werden.

Vor allem aber offenbart das Hickhack hinter den Kulissen um Produktionsstandorte, Arbeitsplätze und Vetorechte, dass die ehrgeizige Bündelung der Kräfte in Europas Flugzeugindustrie alles andere als ein Kinderspiel ist. Die Branche, in der jahrzehntelang nationale Egoismen dominierten, muss sich in ihrem marktwirtschaftlichen Umfeld erst noch zurecht finden. Zum überzeugenden Mannschaftsspiel haben Franzosen, Deutsche, Spanier und Briten jedenfalls noch nicht gefunden. Das Tempo, das Paris, Berlin und Madrid mit ihrer Mammutfusion an den Tag gelegt haben, ist zwar bemerkenswert. Doch die Beteiligten scheinen mit dem selbst verordneten Gleichschritt bisweilen Mühe zu haben. Was in mehr als zehn Jahren nicht gelang, soll plötzlich perfekt funktionieren.

In den Hochglanzbroschüren von EADS, mit denen zurzeit für privates Kapital geworben wird, sind Pannen nicht vorgesehen. Da läuft alles wie geplant - im grünen Bereich. Dabei sind die Rollen in Europas Luft- und Raumfahrtindustrie noch nicht vollständig verteilt, der geforderte Schulterschluss keineswegs vollkommen. Im Airbus-Konsortium, das sich nun endlich in eine richtige Kapitalgesellschaft wandelt, spielen die Briten zwar noch mit. Doch unter dem Dach der sich formierenden EADS haben sie nicht eben freiwillig nur noch bescheidenen Einfluss. Auf Dauer wird das London kaum zufriedenstellen und Europas Industrie in zwei Lager teilen. Keine optimale Aufstellung für eine Branche, die angetreten ist, den Amerikanern Paroli zu bieten.

Martina Ohm

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