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Wirtschaft: Aktive Arbeitsmarktpolitik beschäftigt Frankreich

PARIS .Trotz einer überdurchschnittlich guten Konjunktur, relativ niedrigen Zinsen und einer Inflationsrate, die noch unter dem Niveau von Deutschland liegt, geht die Arbeitslosigkeit in Frankreich vor dem Start in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion nur zögernd zurück.

PARIS .Trotz einer überdurchschnittlich guten Konjunktur, relativ niedrigen Zinsen und einer Inflationsrate, die noch unter dem Niveau von Deutschland liegt, geht die Arbeitslosigkeit in Frankreich vor dem Start in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion nur zögernd zurück.Die Arbeitslosenquote lag im August mit 11,8 Prozent nur um 0,7 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.Zudem zeigte die Erwerbslosenkurve erstmals wieder aufwärts.Dies sei aber vor allem auf saisonale Einflüsse zurückzuführen, heißt es im Arbeitsministerium.Bei einem Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent dürfte die Arbeitslosenquote bis Jahresende auf 11,6 Prozent zurückgehen, zeigt sich das Statistikamt INSEE optimistisch.Insgesamt wären dann in diesem Jahr 360 000 Stellen geschaffen worden - mehr als beim großen Nachbar Deutschland.Fraglich ist, ob sich dieser positive Trend auch im kommenden Jahr behaupten läßt.

Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn rechnet damit, daß das Bruttoinlandsprodukt - gestützt durch die Binnennachfrage - 1999 noch einmal 2,7 Prozent erreichen wird.Andere Experten und der Arbeitgeberdachverband CNPF rechnen hingegen nur noch mit 2,3 Prozent.Sollte sich diese pessimistische Prognose bewahrheiten, würde die französische Wirtschaft kaum noch neue Arbeitsplätze schaffen.Umso größere Bedeutung mißt die Pariser Linksregierung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik bei.Sie konzentriert sich vor allem auf zwei Maßnahmen: Die Einführung der 35-Stunden-Woche sowie die Schaffung von 350 000 ABM-Stellen für arbeitslose Jugendliche.Die 35-Stunden-Woche war im vergangenen Herbst gegen erbitterten Widerstand der Arbeitgeber auf den Weg gebracht worden.Sie wird ab dem Jahr 2000 zur gesetzlichen Regelarbeitszeit; für Kleinunternehmen bis zu 20 Beschäftigten gilt eine Schonfrist bis zum Jahr 2002.Nach der Verabschiedung eines ersten Rahmengesetzes im Frühjahr wurden bisher 394 Betriebsvereinbarungen über die Einführung der 35-Stunden-Woche getroffen.Sie betreffen 52 388 Beschäftigte und sollen 4092 Arbeitsplätze sichern oder neu schaffen, heißt es in einer ersten Bilanz des Arbeitsministeriums.Von den erhofften neuen Stellen ist die Regierung also noch weit entfernt.

Auch das vor einem Jahr begonnene ABM-Programm für arbeitslose Jugendliche ist bestenfalls ein Teilerfolg.Zwar werden die bisher 138 000 "emplois-jeunes" gut angenommen.Doch ihr Ziel, bis zum Jahr 2000 insgesamt 700 000 Jobs für 15- bis 24jährige Arbeitslose zu schaffen, hat die Pariser Linksregierung noch lange nicht erreicht.Die staatliche Bürokratie kommt nur schleppend nach, die privaten Arbeitgeber ziehen nicht mit.Nur Wohlfahrtsverbände und Gemeinden zeigten ein "außergewöhnliches Engagement", heißt es in einer ersten offiziellen Bilanz.Anders als in Deutschland zählte das Hilfspaket für arbeitslose Jugendliche zu den zentralen Wahlversprechen der im Mai 1997 gewählten Sozialisten.Angesichts einer Arbeitslosenquote von seinerzeit 28 Prozent - in manchen Problemviertel liegt sie über 50 Prozent - war das Prinzip, wonach der Staat aktiv werden müsse, nicht umstritten.Auch die letzte konservative Regierung Juppé hatte Milliardenbeträge für staatliche Arbeitsmarkt-Programme aufgewendet.

Die neue sozialistische Arbeitsministerin Martine Aubry versprach jedoch eine radikale Neuorientierung.Statt private Arbeitsplätze nach dem Gießkannenprinzip zu subventionieren, sollten die Hilfen auf wirklich Bedürftige zurückgeführt werden.Das so eingesparte Geld sollte zur Schaffung von 350 000 ABM-Stellen im öffentlichen Sektor und bei gemeinnützigen Verbänden verwendet werden.Weitere 350 000 Jobs waren im Privatsektor vorgesehen, wobei die Finanzierung offen blieb.Die ersten Ergebnisse des am 15.Oktober 1997 aufgelegten Programms waren ermutigend.Von Anfang an überstieg die Nachfrage bei weitem das Angebot.Nicht nur unqualifizierte Jugendliche, sondern auch Abiturienten und selbst Studienabgänger interessierten sich für die nach dem Mindestlohn SMIC bezahlten Stellen.Auch konservative Städte und Gemeindenstellten jugendliche Streetworker, Sportanimateure, Hilfslehrer und Hilfspolizisten ein.

Doch bald schon folgte die Ernüchterung.Zwar ging die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich innerhalb eines Jahres um beachtliche 13 Prozent zurück.Doch dies ist nur zum Teil auf das ABM-Programm, vor allem aber auf die bessere Konjunktur zurückzuführen.Bis heute ist unklar, was aus den versorgten Jugendlichen nach Ende des Hilfsprogramms werden soll.Arbeitsministerin Aubry gibt sich optimistisch: "Die meisten Stellen werden im assoziativen und privaten Sektor verankert." Viel mehr als eine vage Hoffnung ist dies bisher aber nicht.Doch Aubry läßt sich nicht beirren.Bis Ende Jahr werde das Ziel von 150 000 Jobs erreicht, heißt es im Pariser Arbeitsministerium.Ende 1999 sollen es sogar 250 000 sein.Um dieses Arbeitsprogramm zu finanzieren - 1998 sind 8,1 Mrd.Francs (2,4 Mrd.DM) vorgesehen, 1999 sogar 14,3 Mrd.Francs - wurde das Budget der engagierten Arbeitsministerin kräftig aufgestockt.

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