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Kein Zug, nirgends. Viele Städte in Deutschland sind vom direkten Fernzugnetz abgeschnitten.

© dpa

Aktuelle Studie: Bahn spart sich Fernzüge auf dem Land

Die Bahn hat seit 1999 jeden zweiten IC-Halt gestrichen – vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Zugleich fühlen sich die privaten Wettbewerber benachteiligt.

Die Deutsche Bahn hat ihr Fernverkehrsangebot zwischen 1999 und 2010 um fast die Hälfte zusammengestrichen. Mit am stärksten betroffen von der gesunkenen Zahl der Zughalte waren das nördliche Brandenburg, die Lausitz und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist das Ergebnis des Wettbewerber-Reports Eisenbahn, den die Konkurrenten der Deutschen Bahn sowie die Länder und Verkehrsverbünde am Montag in Berlin vorgestellt haben. Als „Kahlschlagbilanz“ bezeichnete Studienautor Michael Holzhey von der Unternehmensberatung KCW den Rückzug der Bahn aus der Fläche.

Selbst Großstädte mit mehr als 200 000 Einwohnern wie Krefeld seien nicht verschont geblieben, heißt es in dem Bericht – heute hält dort kein Fernzug mehr, ebenso wie in den Oberzentren Heilbronn, Bremerhaven, Salzgitter und Gera. Unter den 15 Städten mit den deutlichsten Einschränkungen finden sich Potsdam (Rang neun), Cottbus (Rang 13) und Magdeburg (Rang 15). Auch touristische Ziele werden deutlich seltener oder gar nicht mehr bedient – darunter Lübbenau und Waren (Müritz). Insgesamt gibt es hier 51 Prozent weniger Fernzug-Halte als noch 1999. Dieser Trend sei kaum mit dem Versorgungsauftrag aus dem Grundgesetz in Einklang zu bringen, den die Bahn erfüllen müsse, sagte Holzhey. 80 Prozent der Schienen-Investitionen flössen in die Fernverkehrs-Infrastruktur, dennoch seien die Reisezeiten in den vergangenen zwei Jahrzehnten gestiegen, und durch die Abschaffung des Interregio sei das Betriebsleistung um ein Fünftel geringer. Umkehren könne man den Trend womöglich bereits durch geringe Zuschüsse für derartige Verbindungen.

Zugleich erobern die Konkurrenten der Bahn immer mehr Marktanteile. Im Güterverkehr bestreiten sie ein Viertel des Angebots, im subventionierten Regionalverkehr ein Achtel. Allein im Fernverkehr hat sich die Bahn ihr Monopol bewahrt, der Anteil der Wettbewerber liegt unter einem Prozent. Die Tendenz für alle Bereiche sei 2012 steigend, sagte Holzhey. Selbst im Fernverkehr: Im August will das Unternehmen Locomore zwischen Hamburg und Köln Fernzüge fahren lassen.

Allerdings sei dies „kein Selbstgänger“. Es gebe „einige Schatten am Horizont“, der Wettbewerb könne mittelfristig sogar zum Erliegen kommen. So stiegen beispielsweise die Preise für die Nutzung von Trassen und Bahnhöfen Jahr für Jahr – die Regionalisierungsmittel des Bundes, mit denen die Verkehrsverbünde die Züge bestellen, hielten aber nicht Schritt. „Womöglich müssen wir Verkehr abbestellen“, warnte Bernhard Wewers vom Besteller-Verband BAG-SPNV. Nötig sei eine „Dynamisierung“ der Zahlungen – also eine regelmäßige Erhöhung.

Generell sind die Bahn-Wettbewerber mit der Dominanz des Staatskonzerns unzufrieden. Sie verlangen, Gleise und Bahnhöfe von dem Unternehmen zu trennen, damit es sie nicht mehr benachteiligen könne. Auch müsse die Netzagentur mehr Macht bekommen. Für Behinderungen in der Praxis nennen sie eine Reihe von Beispielen: Für den Strom müssten Private mehr bezahlen als die konzerneigenen Sparten. Auch die Vergabe von Trassen, etwa im Fernverkehr, sei ein langwieriger Prozess. Und mit den Gebühren für die Nutzung der Infrastruktur stärkten die Privaten die Rendite ihres Konkurrenten Deutsche Bahn – ohne aber beeinflussen zu können, ob und wie das Geld wieder investiert werde.

Die Deutsche Bahn wies die Kritik zurück. Der Wettbewerb funktioniere und sei fair, weder behindere man andere Firmen, noch bevorzuge man die eigenen, sagte ein Bahn-Sprecher. Der wachsende Marktanteil im Regional- und im Güterverkehr zeige das, zudem liege Deutschland bei der Marktöffnung europaweit in der Spitzengruppe.

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