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Wirtschaft: Alexander Lebeds neue Feinde tragen Nadelstreifen

KRASNOJARSK .Als Alexander Lebed vor einem Jahr Gouverneur der riesigen sibirischen Provinz Krasnojarsk wurde, hoffte er, sich damit den Weg zum Kreml zu bahnen.

KRASNOJARSK .Als Alexander Lebed vor einem Jahr Gouverneur der riesigen sibirischen Provinz Krasnojarsk wurde, hoffte er, sich damit den Weg zum Kreml zu bahnen.Stattdessen mußte sich der erfolgreiche Kriegsheld nochmals in den Kampf stürzen.Während der schroffe Ex-General früher afghanische Rebellen oder Putschisten in der Sowjetunion bekämpfte, ist sein jetziger Feind ein Geschäftsmann im Nadelstreifenanzug.Doch dieser Gegner ist genauso gefährlich wie Lebeds militärische Feinde.

"Das ist nicht nur ein Streit zwischen einem Gouverneur und Geschäftsleuten", erklärt der 49jährige Lebed."Die Frage ist, ob der russische Staat überhaupt noch Autorität hat.Oder ob das Land in ein großes Kolumbien mit einzelnen Fürstentümern mit dummen, kriminellen Fürsten zerfällt." Lebeds Wähler sind anderer Meinung: "Lebed hat uns viel versprochen", erklärt Natascha Buscherowa, Eigentümerin eines kleinen Lebensmittelgeschäfts."Aber er hat keines seiner Versprechen erfüllt."

Lebed und sein Feind Anatoli Bikow kämpfen seit einem Monat um die wirtschaftliche Kontrolle des elektrischen Stroms.Die Auseinandersetzung hat über die Grenzen von Sibirien hinaus Widerhall gefunden.Denn erstens wird der Ausgang des Konflikts darüber entscheiden, ob Lebed Aussichten hat, Jelzin im Juni 2000 als Präsident nachzufolgen.Und zweitens läßt der Konflikt in Sibirien darauf schließen, wie ähnliche Kämpfe in Moskau ausgehen könnten.Seit der russischen Finanzkrise im vergangenen August versucht die Moskauer Regierung, wieder Macht über prahlerische Industrielle zu gewinnen.Bislang mit wenig Erfolg: Premierminister Jewgeni Primakow ist entlassen.Zugleich konnte der Milliardär Boris Beresowski - gegen den Primakow am stärksten vorgegangen ist - seinen Einfluß in Kreml-Kreisen zurückgewinnen.Lebed hat mehr erreicht.Das russische Innenministerium hat begonnen, gegen Anatoli Bikow strafrechtlich zu ermitteln.Der ehrgeizige 39jährige ist Vorstandsvorsitzender einer Aluminiumschmelzerei und russischen Medien zufolge auch ein Mafia-Pate in Krasnojarsk.

Noch vor einem Jahr waren Lebed und Bikow Verbündete.Der einflußreiche Sibirier mit der dunklen Vergangenheit hat den Militär im vergangenen Frühling bei den Gouverneurswahlen unterstützt.Doch bereits im Winter brach Bikow mit Lebed.Mit der Unterstützung einflußreicher Freunde wollte Bikow, der bereits an der Spitze mehrerer Unternehmen in Krasnojarsk steht, seinen Machtbereich um die Energiewirtschaft erweitern.Seine Absicht: die Stromkosten der Aluminiumschmelzerei Kraz senken, wo er Vorstandschef ist.Da in der Aluminiumherstellung gewaltige Mengen an Elektrizität benötigt werden, verringerten hohe Strompreise die Rentabilität und gefährdeten Arbeitsplätze, erklärt Bikow.Doch Lebed vermutete, daß Bikow und seine Verbündeten sich auf Kosten von Krasnojarsk bereichern wollten.Niedrige Strompreise, so der Gouverneur, seien eine unfaire Subventionierung.Das Unternehmen erkläre sich für mittellos, habe aber hohe Beträge auf ausländischen Konten geparkt.Denn die meisten Umsätze läßt Kraz über "Zwischenhändler" kontrollieren - in russischen Fabriken eine gängige Praxis.Mit dieser Methode verschleiern Unternehmen ihre Gewinne, indem die Mittelsmänner die Einnahmen umlenken und auf ausländischen Bankkonten verschwinden lassen.Der Fabrik wird gerade genug zum Überleben gelassen.Mit der Kontrolle über die Energieproduktion könnten Bikow und seine Partner noch größere Gewinne ins Ausland schaffen - ganz zu schweigen vom Mitspracherecht bei den Strompreisen, die andere Unternehmen zahlen."Es würde heißen, die ökonomische Macht abzugeben.Dann könnte Bikow einfach seinen eigenen Gouverneur ernennen," ereifert sich Lebed.

Früher war Bikow Sportlehrer in einer kleinen Stadt, heute hält er an den verschiedensten Unternehmen in Krasnojarsk Anteile, angefangen von etwa zehn Prozent an Kraz, dem zweitgrößten Aluminiumhersteller der Welt, bis zu Aktien am regionalen TV-Netz.Wenn jemand in Rußland eisern genug ist, die Großindustriellen zu zähmen, dann ist es eigentlich Lebed.Viele Moskauer Unternehmer fürchten ihn.Er selbst vergleicht sich mit dem chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet.Doch während seiner einjährigen Amtszeit in Sibirien mußte Lebed feststellen, wie hart der Kampf gegen das große Geld ist.Fast jeder russische Industrielle hat Beteiligungen in dem riesigen Gebiet, über das Lebed regiert.Wegen seiner Reichtümer müßte Krasnojarsk eigentlich ein russisches Kuwait sein.Abgesehen von nuklearen Forschungszentren hat die Provinz die Hälfte der weltweiten Palladium- und 40 Prozent der Nickelvorkommen, viel Gold und einen dichten Baumbestand.Doch die Region versinkt in Armut, weil die Gewinne abgezogen werden.Die Lebed-Regierung schuldet Staatsangestellten 600 Mill.Rubeln an fälligen Gehältern.

Anfangs waren Lebed und Bikow Verbündete.Er bewundere den "starken Führer" in Lebed, erklärte Bikow.Und Lebed ging auf Bikows Vorschlag ein, unter dem Dach einer Holding die Aluminiumschmelzerei, deren Lieferanten und die staatlichen Energieproduzenten zu vereinigen.Der Vorteil: Der Aluminiumproduzent wäre finanziell gesünder und erwirtschaftete damit höhere Steuereinnahmen, so Bikow.Als er sich die Sache genauer ansah, stellte Lebed aber fest, daß ihn eine solche Holding um Geld und Macht bringen würde.Von den 85 Mill.Dollar, die der neue Mischkonzern an jährlichen Gewinnen erwirtschaften würde, bekäme Krasnojarsk nur 600 000 Dollar.Der Rest fließt in die dunklen Kanäle der "Zwischenhändler".Nur 0,8 Prozent des Alumiums, das zwischen 1996 und der ersten Jahreshälfte 1998 in Kraz produziert wurde, trug zum ausgewiesenen Gewinn bei, wie in einem Bericht einer russischen Kontrollorganisation geschätzt wird.Da Lebed Kraz nicht zwingen konnte, das Geld in der Region zu halten, hat er die Elektrizitätspreise erhöht, indem er sie an den steigenden Dollarkurs koppelte.Wenn Kraz niedrigere Gebühren wolle, so erklären Lebeds Berater, müsse das Unternehmen beweisen, daß es seine Gewinne nicht ins Ausland schaffe.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Lebed, Hongkong), Birte Heitmann (Käse) und Svenja Rothley (Euro).

BETSY MCKAY

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