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Nutzpflanze.

© dpa

Wirtschaft: Algen gegen Klimakiller

Vattenfall füttert Wasserpflanzen mit Abgasen aus Heizkraftwerk Senftenberg

Senftenberg - In jedem Aquarium gehören sie zu häufigen, aber durch ihren grünen Schleier und klebrige Eigenschaften nicht gerade zu den beliebten Bewohnern. Eine am Mittwoch im südbrandenburgischen Senftenberg eröffnete Versuchsanlage soll trotzdem so viel grüne Masse wie möglich produzieren: Süßwasseralgen. Aus dem ölhaltigen Schleim können dann Nahrungsergänzungs- und Futtermittel, Kosmetika und nicht zuletzt Bio-Kraftstoff und Kerosin gewonnen werden. Die winzigen Organismen brauchen für ihr Wachstum nur Sonnenlicht und Kohlendioxid, woran in den Braunkohlekraftwerken gerade in der Lausitz nun wirklich kein Mangel herrscht. Deshalb steht die neue Halle mit den großen Algenbehältern gleich in der Nachbarschaft des mit Kohlestaub betriebenen Heizkraftwerks von Vattenfall am Rande von Senftenberg, 130 Kilometer südlich von Berlin. Rohre befördern einen Teil des vorher von Schwebeteilchen befreiten Rauchgases direkt in die Zuchtanlage, wo das Kohlendioxid als großer Wachstumsbeschleuniger wirkt.

„So eine Anlage mit einem Fassungsvermögen von 50 000 Litern Wasser und einer Jahresproduktion von zehn Tonnen Biomasse gibt es weltweit nicht noch einmal“, sagt Martin Mohr, Geschäftsführer der österreichischen Firma Ecoduna. „Außerdem drehen sich die Behälter automatisch zur Sonne, um so viel Licht wie möglich einzufangen.“ Das Geld für das rund zwei Millionen Euro teure Projekt mit dem blumigen Namen „Hängende Gärten“ stiftete zur Hälfte Vattenfall. Die andere Hälfte kommt vom Land Brandenburg und von der EU aus Brüssel. „Ursprünglich waren unsere Algenbehälter an der Decke befestigt, so dass der Name ’Hängende Gärten’ entstand“, erklärt Mohr. „Heute stehen die wie überdimensionierte Garagendächer anmutenden Plastikmodule auf drehbaren Untersetzern.“

Für Vattenfall steht der Test-Charakter im Vordergrund. „Wir können nun in einem größeren Maßstab den Nutzen von Mikroalgen zur Aufnahme von Rauchgas erproben“, sagt Vorstandsvorsitzender Hartmuth Zeiß. Man wolle feststellen, ob solche Anlagen auch zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes taugen.

Allerdings wären dafür wohl riesige Algenaufzuchtanlagen nach dem Senftenberger Modell notwendig. „Wir fangen derzeit nur einen Bruchteil des Rauchgases aus dem Heizkraftwerk auf“, meint Martin Mohr vom Entwicklerunternehmen. „Der ist derzeit noch kaum messbar, zumal wir ja noch mitten im Experimentieren stecken. In einem Jahr wissen wir auf jeden Fall mehr.“ Man könne aber davon ausgehen, dass für eine Tonne Biomasse etwa 1,7 Tonnen Kohlendioxid gebraucht werden. Weitere Pilotanlagen plant Ecoduna in Dänemark, Großbritannien und Österreich.

Die in Senftenberg verwendeten Algen stammen direkt aus der Stadt. Die hier ansässige Hochschule Lausitz forscht seit einigen Jahren auf diesem Gebiet. Erst kürzlich nahm sie ein neues Labor in Betrieb, um aus rund 200 000 Algenarten die 50 besonders für die Fettsäureproduktion geeigneten Sorten zu finden. „Die Lausitz bietet ideale Voraussetzungen für die industrielle Algenproduktion“, versichert der leitende Wissenschaftler, Professor Ingolf Petrick. „Die ehemaligen Tagebaukippen könnten riesige Gewächshäuser aufnehmen und die Kraftwerke liefern das notwendige Kohlendioxid.“

Dann würde wohl ein eigentümlicher Geruch durch den Süden Brandenburgs wehen. Algen-Biomasse riecht schließlich nach Fisch. Claus-Dieter Steyer

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