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Wirtschaft: Alibaba und die 1000000000 Dollar

Der US-Internetkonzern Yahoo beteiligt sich für viel Geld an dem chinesischen E-Commerce-Anbieter

Bis vor kurzem war Jack Ma wohl der Einzige, der so richtig an sich glaubte. Jetzt hat der Gründer der chinesischen E-Commerce-Firma Alibaba.com selbst die Spitze von Yahoo von seinen Fähigkeiten überzeugt: Umgerechnet 810 Millionen Euro lässt es sich der US-Internetkonzern kosten, dass der ehemalige Englischlehrer Ma der Marke Yahoo in China zum Durchbruch verhilft. Nach dem am letzten Donnerstag verkündeten Deal wird Yahoo eine Milliarde Dollar an Alibaba zahlen und dem Unternehmen sein gesamtes Chinageschäft übergeben. Im Gegenzug übernimmt das US-Webportal einen 40-prozentigen Anteil am Alibaba-Vermögen und erhält 35 Prozent der Stimmrechte sowie einen Sitz im vierköpfigen Vorstand.

Die Beteiligung ist auch ein Vertrauensbeweis für den 40-jährigen Alibaba-Chef Ma. Mit seinem charismatischen Führungsstil und pointierten Äußerungen hat er sein Unternehmen an die Spitze gebracht und sich bei Wettbewerbern alles andere als beliebt gemacht. Der Zusammenschluss zementiert Mas Stellung als chinesischer Vorzeige-Unternehmer. Er erweitert auch die Plattform für Mas ehrgeizige Pläne im chinesischen Online-Geschäft, das gemessen an der Zahl der Nutzer bald die USA übertreffen und damit der weltgrößte Internetmarkt sein wird. „Mein Ziel und das unseres Teams ist es, aus Alibaba das größte Unternehmen zu machen, das seine Wurzeln in China hat“, sagt Ma.

Auch das Yahoo-Management erkennt an, dass die Beteiligung im Klartext vor allem eines heißt: Ma ist zuzutrauen, dass er Yahoo in China schneller voranbringen wird, als es den Amerikanern bislang gelungen ist. „Wir glauben zwar nicht, dass Yahoo nicht auch allein erfolgreich sein könnte“, sagt Yahoos geschäftsführender Vorstand Daniel Rosensweig. „Für uns ist es aber eine Chance, viel schneller und viel stärker zu wachsen.“

Durch den Zusammenschluss entsteht ein Unternehmen, das in allen Bereichen des chinesischen Internetmarktes bestens aufgestellt ist. Es kombiniert Alibabas E-Commerce-Service und Auktionsseiten mit Yahoos reichhaltigem Angebot an chinesischen Suchmaschinen und Kommunikationsdiensten. Den Wert von Alibaba erhöht dies nach Meinung von Experten auf vier Milliarden Dollar. Das nicht an der Börse notierte Unternehmen erzielte im letzten Jahr 46 Millionen Dollar Gewinn. Yahoos Engagement erhöht auch den Druck und die Herausforderungen für Alibaba. Jack Ma wird es seinem neuen Großgesellschafter recht machen müssen, der bei der Vermarktung seiner Produkte in China ein deutliches Mitspracherecht einfordern wird.

Dank seiner Biografie ist Ma bestens gerüstet für den schwierigen Spagat zwischen der westlichen und der chinesischen Geschäftswelt. Um von der Kulturrevolution der sechziger Jahre geprägt zu sein, ist er zu jung. Und als er in den Achtzigern erwachsen wurde, setzte auch schon der wirtschaftliche Aufschwung des Landes ein. Englisch lernte er während seiner Zeit als freiwilliger Reiseführer für Besucher, die seine Heimatstadt Hangzhou nahe Schanghai besuchten. Nachdem er 1988 sein Englischstudium beendet hatte, arbeitete er einige Jahre als Lehrer für Englisch und internationalen Handel an der Ingenieursschule von Hangzhou. Im Jahr 1995 gründete Ma das Online-Telefonbuch Chinapages.com und 1999 den E-Commerce-Dienst Alibaba.com.

Mit Alibaba wollte er kleineren chinesischen Unternehmen den Zugang zu fernen Märkten ermöglichen. Schnell zeigte sich, dass Ma mit einem ganz besonderen Selbstvertrauen ausgestattet ist. Als die Nasdaq im April 2000 auf Talfahrt ging und den Managern vieler Internetfirmen die Angst im Gesicht stand, gab sich Ma euphorisch: „Ich hätte gern eine Flasche Champagner zur Hand, um den Börsencrash zu feiern“, sagte er damals in einem Interview. Er meinte auch, dass der Kursverfall Alibabas Chancen für einen damals geplanten Börsengang verbessere, weil der Crash wertlose Unternehmen aus dem Markt werfen würde.

Zwar ist Alibaba auch ein halbes Jahrzehnt später noch nicht an der Börse, doch die Zahl von Mas Bewunderern wird immer größer. „Er hat erstaunliche Manager-Fähigkeiten“, sagt Masayoshi Son, Gründer und Chef der japanischen Softbank, die auch ein bedeutender Anteilseigner bei Alibaba ist. „Wenn es ein Unternehmen außerhalb der USA gibt, von dem die Welt etwas lernen kann, dann ist es Alibaba.“

Jack Ma hat den Ruf eines erbitterten Wettbewerbers, der seine Mitarbeiter geschickt mit seinem Tatendrang anstecken kann. Der Alibaba-Gründer genießt es, sein Unternehmen als Außenseiter im Kampf mit übergroßen Branchenriesen darzustellen. Dennoch sind einige Analysten skeptisch, ob der Alibaba-Chef sein Geschäft so schnell expandieren kann, wie es jetzt von ihm erwartet wird. „Er hat das seltene Talent, den Leuten Sicherheit zu vermitteln und Menschen zusammenzubringen“, sagt Duncan Clark, ein Berater für die Web-Industrie in Peking, der Ma seit 1998 kennt. „Doch bislang wurde das Unternehmen den hohen Ansprüchen von Jack noch nie gerecht.“

Alibabas größter Konkurrent war bislang das Online-Auktionshaus Ebay. Als das US-Portal auch in China immer stärker Fuß fasste, beauftragte Ma Anfang 2003 eine kleine Gruppe seiner engsten Mitarbeiter mit der Konzeption einer eigenen Auktions-Plattform. Damit alles geheim blieb, quartierte Ma die Gruppe in einer einfachen Wohnung in Hangzhou ein, in der er bereits Alibaba gegründet hatte. Ergebnis war das Internet-Auktionshaus TaoBao, das im Juli 2003 an den Start ging und der chinesischen Ebay-Ausgabe schnell Marktanteile abnehmen konnte. Gewinn wirft der Service noch nicht ab. Denn die Kunden können die Auktionsseite kostenlos nutzen – und das soll nach den Versprechen von Ma auch noch mindestens bis zum nächsten Juli so bleiben. Die geheimnisvolle Wohnung in Hangzhou hat Ma immer noch. Irgendwann, so verrät ein hochrangiger Alibaba-Manager, will er sie in ein Museum verwandeln.

Jason Dean, Jonathan Cheng

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