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Nur noch bezahlen, was man wirklich braucht.

© Jeanette Dietl - Fotolia

All exclusive: Die neue Sparsamkeit im Urlaub

Nur noch das bezahlen, was man wirklich braucht. Das kennt man von den Billigfliegern. Jetzt entdecken auch Hotels das Geschäftskonzept.

Schön sind sie nicht, die beiden Klötze. Aber den Urlaubern, die hier absteigen, ist das egal. Sie schätzen die Lage mitten am Strand von Warnemünde. Im größeren Klotz, dem „Hotel Neptun“, urlaubten schon DDR-Bürger, das andere Haus ist brandneu. Erst seit Ostern ist das „aja“-Resort geöffnet. Seine Eigentümer haben Großes mit ihm vor: Das Resort soll den Wellnesstourismus demokratisieren und Luxus zu bezahlbaren Preisen bieten, heißt es bei der Deutschen Seereederei, die einst die Kreufahrtmarke Aida erfunden hat und der heute das „Neptun“ gehört. Das Geschäftsprinzip, das die neue Marke zum Erfolg bringen soll, kennt man schon von Billigfliegern und Autohäusern. Es heißt „all exclusive“. Die Idee: Der Kunde bezahlt nur für die Grundleistung, alles andere kostet extra. 39 Euro entrichtet man im „aja“ pro Person im Doppelzimmer, 59 Euro in der Hochsaison. Dafür hat man Meerblick, einen großen Fernseher und ein bequemes Bett. Frühstück oder Wellness kosten zwar nicht die Welt, erhöhen aber dennoch die Rechnung. Im „Neptun“, der Schwester von nebenan, sind Frühstücksbuffet und Wellness-Bereich inklusive. Dort kostet das Doppelzimmer mindestens 155 Euro. „Wir brechen mit der alten Hotelwelt“, sagt „aja“-Direktor Mathias Freiheit. Das spricht ganz unterschiedliche Typen an. „Einige Gäste fahren mit dem Mercedes vor“, berichtet Freiheit. Sie wollen „in der ersten Strandreihe“ (Eigenwerbung) Urlaub machen und dafür möglichst wenig zahlen, obwohl sie das durchaus könnten. Das sind diejenigen, die gut bei Kasse sind, aber trotzdem den Kofferraum ihrer Limousine einmal in der Woche bei Aldi oder Lidl vollpacken. Aber auch Familien steigen im „aja“ ab und Menschen, die sonst eher per Pauschalreise – also „all inclusive“ – nach Mallorca fliegen. Die Kundschaft ist nicht nur im „aja“ bunt gemischt. „All exclusive“ zieht Sparfüchse an, die sparen, obwohl sie es nicht müssten, genauso wie Menschen mit knapper Kasse. In den Großstädten arbeiten Ketten wie die Ibis-Hotels und Motel One schon seit langem nach diesem Modell. Nun springt der Funke auch auf die Ferienhotels über. Drei bis fünf weitere „aja“-Resorts sind in Planung – 2015 soll Grömitz folgen, weitere Hotels sind an der Küste und in den Bergen vorgesehen.

Billigflieger: Nur der Sitzplatz ist garantiert

Trendsetter waren die Billigflieger Ryanair und Easyjet. Günstiger Flugpreis, moderne Maschinen – das ist bei ihnen Standard. Aber schon wer einen Koffer mitnimmt, zahlt extra. Sich den Sitzplatz vorher aussuchen, als erster an Bord gehen? Dito. Die überwiegende Zahl der Reisenden, meist junge Leute mit kleiner Haushaltskasse, wollen das nicht. Sie stopfen lieber ihre Bord Cases in die Ablagen und hasten übers Rollfeld, um trotz des billigen Tickets einen Fensterplatz zu ergattern. Das Geschäft läuft gut, aber jetzt will sich Easyjet ein neues Geschäftsfeld erschließen. Auch Geschäftsreisende will der Carrier in die orangenen Flugzeuge locken und weicht dabei von seinen Geschäftsprinzipien ab. Die neuen „Flexi-Tickets“ sind teurer, aber umbuchbar, und man darf in den komfortableren Vorderreihen Platz nehmen.

Während sich Easyjet auf die Kundschaft der etablierten Fluggesellschaften zubewegt, orientieren sich diese zunehmend an den Billigfliegern. Schon vor einiger Zeit hat Air Berlin sein Tarifsystem umgestellt und Spartickets eingeführt. Zwar bekommen auch Reisende, die ein solches Ticket gebucht haben, die Laugenstange zum Kaffee und das Schokoherz beim Ausstieg, aber wer sich etwa schon frühzeitig einen bestimmten Platz im Flugzeug sichern möchte, muss dafür zahlen. Die neue Ticket-Welt ist bei vielen Air-Berlin-Kunden aber anscheinend noch nicht so recht angekommen. „Der neue Tarif Just-Fly wird von unseren Gästen sehr gut angenommen“, berichtet Sprecherin Melanie Schyja. „Die Mehrheit unserer Gäste entscheidet sich jedoch nach wie vor für den Fly-Classic-Tarif.“ Auch die größte deutsche Fluggesellschaft, die Lufthansa, steht unter Druck – und gibt ihm nach. Das Unternehmen überträgt jetzt peu à peu den Löwenanteil seines Deutschland- und Europageschäfts auf die Low-cost-Tochter Germanwings. Die günstigere Kostenstruktur erlaube Germanwings, in diesem Bereich auskömmlich zu fliegen, heißt es bei der Lufthansa. Der Mutter fällt das schwerer. Teure Drehkreuze und Netzwerke in aller Welt schaffen zwar Verbindungen bis in den letzten Winkel, kosten aber auch. Hinzu kommt, dass man Lufthansa-Kunden zumindest einen Miniservice bieten muss. Ein Getränk, ein Schokoriegel, Zeitungen – das muss schon sein, egal, ob das Ticket regulär verkauft wurde oder im Sonderangebot. „In der gebuchten Klasse werden alle gleich behandelt“, betont Lufthansa-Sprecher Boris Ogursky. Germanwings macht das anders. Hier muss der Kunde künftig bei der Buchung entscheiden, ob er bereit ist, für mehr Service zu bezahlen.

Autokauf: 30 000 Varianten zur Wahl

Vor solchen Entscheidungen stehen Autokäufer schon seit eh und je. Beim Golf sieben gibt es nur eine Farbe – das eher traurige Uranograu – ohne Aufpreis. Weiß kostet 137 Euro extra, schwarz 240 Euro. Solche Lackierungen treffen aber eher den Geschmack der Kundschaft. „Der allergrößte Teil der Käufer bestellt irgendwelche Extras“, weiß Stephan Alexander vom Car-Institut der Uni Duisburg-Essen – meist eine Klimaanlage oder eine schickere Farbe. 1000 Euro und mehr kommen so schnell zusammen. Die Vielfalt ist groß. So gibt es etwa den „Opel-Adam“ in mehr als 30000 Varianten. Doch obwohl sie das anbieten, ist den Herstellern diese Vielfalt gar nicht so lieb. Denn je weniger Varianten man im Werk baut, desto billiger ist die Produktion, betont Alexander. Das erklärt, warum es manchmal elektronische Fensterheber zum Preis der alten Kurbeln gibt. Oder warum höherwertige Technik in günstigen Paketen versteckt wird – dann aber oft vermischt mit Ausstattungsschnickschnack wie Lenkradheizungen, den sonst keiner kaufen würde.

Pakete erleichtern beim Autokauf die Wahl. Beim Reisen sind es die Pauschalangebote. Noch immer buchen viele Deutsche gern ihren Urlaub von der Stange, vor allem, wenn sie ins Ausland fahren, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband. Baukastenlösungen wie im „aja“ seien dagegen eher etwas für Ferien in Deutschland, wo man sich sicher fühlt. Doch weil die Wirtschaft läuft und die Löhne steigen, lassen es die Bundesbürger jetzt gern wieder außerhalb der deutschen Grenzen krachen. Im vergangenen Jahr haben vor allem Luxusreisen kräftig zugelegt. Und: „Wer auf die Malediven fährt, will eine Rundum-Versorgung“, meint Schäfer. An der Ostsee könnte das Konzept dagegen gut funktionieren. Obwohl die ersten Gäste ihre Rollkoffer noch an Baggern vorbei in die Lobby schieben mussten. „Der lange Winter hat uns etwas zurückgeworfen“, sagt „aja“-Direktor Mathias Freiheit entschuldigend. Dennoch war das Haus über die Osterferien gut gefüllt, jetzt wartet man auf die Berliner, die die Maifeiertage für einen Kurzurlaub nutzen wollen, dann auf die Sommergäste. „Die Buchungen sind gut“, berichtet Freiheit, „aber etwas geht noch.“

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