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Wirtschaft: Alles Müller – oder was?

Der Wirtschaftsminister wollte nach der Wahl mehr Macht. Er wollte ein Reformministerium. Er wird es wohl nicht bekommen.

Berlin (asi/uwe/ce). Ganz so, wie sich Werner Müller den Machtzuwachs seines Wirtschaftsministeriums vor der Wahl gedacht hat, wird es wohl nicht kommen. Aber auch wenn es am Montag noch niemand im Ministerium beschwören wollte: „Dass Müller unser Minister bleibt“, diese Nachricht wird in der Berliner Scharnhorststraße bereits wie eine Gewissheit betrachtet.

Müller hatte eine zweite Amtszeit allerdings immer davon abhängig gemacht, dass die volkswirtschaftliche Grundsatzabteilung wieder aus dem Finanzministerium von Hans Eichel zurück ins Wirtschaftsministerium ziehen muss. Diese Abteilung hatte Oskar Lafontaine, als er nach der Wahl 1998 das Finanzministerium übernahm, aus dem Wirtschaftsministerium herausgeschnitten. Hans Eichel hatte sie dann behalten – obwohl Müller immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass die Grundsatzabteilung ins Wirtschaftsministerium gehört. Angeblich gibt es auch schon Zusagen des Kanzlers dafür, wird im Wirtschaftsministerium erzählt.

Wahrscheinlich wäre die Sache nicht mehr als ein Geplänkel zwischen zwei Ministern, wenn es in der jetzt beginnenden Legislaturperiode nicht um tief greifende Reformen ginge: Schon deshalb hatte es im Vorfeld der Wahl in beiden großen Parteien ernst zu nehmende Überlegungen gegeben, das Wirtschaftsministerium zu einer Art Reformministerium umzubauen – und mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten. Ob und in welchem Umfang es jetzt dazu kommt gilt auch als Gradmesser dafür, ob und in welchem Umfang eine Reform aus einem Guss geplant ist.

Allein die neuerliche Umsiedlung der Grundsatzabteilung würde bedeuten: In den kommenden vier Jahren ist in Deutschland wieder der Wirtschaftsminister dafür verantwortlich, Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft abzugeben. Das hieße, dass beispielsweise die Steuerschätzungen des Finanzministeriums wieder durch ein anderes Ministerium kontrolliert und gegebenenfalls relativiert würden. Mehr Transparenz über die Konjunkturerwartungen der Bundesregierung aber würde wahrscheinlich auch eine transparentere Wirtschafts- und Finanzpolitik nach sich ziehen.

Der Kanzler habe sich bereits entschieden, Müller diese Kompetenzen wieder zuzuweisen, meinen Wirtschaftsministeriale. Die Zusage existiere und werde, so wird in seinem Hause spekuliert, „wohl auch eingelöst“. Anzeichen dafür? „Fragen Sie doch mal den Finanzminister, welche Personalplanung er hat.“ Die notwendigen räumlichen Bedingungen im Wirtschaftsministerium jedenfalls „wären sehr kurzfristig verfügbar“. Fehlanzeige im Rohwedder-Haus von Minister Hans Eichel. Das Finanzministerium übt sich in Schweigen.

Doch die Begehrlichkeiten von Werner Müller beschränkten sich vor der Wahl nicht nur auf die Grundsatzabteilung. Der Minister liebäugelte auch mit europapolitischen Kompetenzen. Wann immer industriepolitische Gespräche stattfinden, wetterten Müllers Ministerialbeamte in den vergangenen Monaten, müssten sie den Kollegen im Finanzministerium zuarbeiten, die dann in Brüssel die Gespräche führten. Dies habe zu „enormen Reibungsverlusten“ geführt.

Doch auch, wenn es ordnungspolitisch sinnvoll wäre, wirtschaftspolitische Abstimmungen in der EU durch den Wirtschaftsminister führen zu lassen, wird wohl Eichel diese Kompetenzen behalten. Zumal der überraschende Wahlerfolg der Grünen Kanzler Schröders Pläne von einem zentralen Europaministerium oder zumindest einer Ansiedlung dieses Bereiches im Bundeskanzleramt zunichte gemacht haben. Auch ein zweiter Plan von Müller droht an den Grünen zu scheitern. Denn auch Renate Künast wird wahrscheinlich Müllers Ansinnen, den Verbraucherschutz in sein Ministerium zu verlagern, nicht nachgeben müssen.

Für völlig aussichtslos halten Insider indes eine Kopie des Unionsmodelles von der Zusammenlegung des Arbeits- mit dem Wirtschaftsressort. Zwar wäre auch das inhaltlich sinnvoll, weil die Arbeitsmarktpolitik aus den Sozialsystemen herausgelöst werden und als eigenes Politikfeld mit dem nötigen Nachdruck reformiert werden könnte.

Doch das hieße, dass die Gewerkschaften den Einfluss auf das Ressort verlieren würden. Und einen solchen Affront halten Insider bei einer sozialdemokratischen Regierung bei allem möglichen Reformwillen für kaum vorstellbar. Zumal Arbeitsminister Walter Riester offenbar fest entschlossen ist zu bleiben: „Er entwickelt Beharrungsvermögen“, staunen Arbeitsministeriale.

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