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Allianz-Manager im Interview: „China ist fortschrittlicher als die USA“

Armin Sandhövel, Chef der Klima-Sparte der Allianz, über das Finale der Konferenz in Durban und die Macht der Öko-Wirtschaft.

Herr Sandhövel, deutsche Politiker von Merkel bis Töpfer haben sich im Vorfeld sehr pessimistisch über die Klimakonferenz geäußert. Ist das nachvollziehbar?

Ja. Beide waren ja selbst Umweltminister und kennen diese Konferenzen und ihre Komplexität, die langen Entscheidungswege. Wer das oft genug mitgemacht hat, bei dem muss sich fast zwangläufig etwas Frust einstellen. Gerade nach Kopenhagen 2009, wo es einen Hype, aber kein Ergebnis gab, kehrte bei vielen Ernüchterung ein. Das war auch 2010 im mexikanischen Cancún zu beobachten. Und hier.

Wird es bis zum Ende am Freitag zu einem Durchbruch kommen?

Kommt darauf an, was man unter Durchbruch versteht. Ein Rahmenabkommen im Sinne des Kyoto-Protokolls wird es wohl nicht geben. Wahrscheinlich ist ein gemeinsamer Beschluss, im kommenden Jahr weiterzuverhandeln. Das Jahr 2015 ist die nächste große Etappe.

Also ist Durban Zeitverschwendung?

Nein. Im Kleinen tut sich ja was: Das Waldschutzprogramm kommt voran, der Green Climate Fund, mit dem konkrete Projekte gefördert werden, wird operativ nutzbar gemacht. Fast wichtiger als ein formales Klimaabkommen ist, wie es mit der Green Economy überhaupt vorangeht. Ich habe hier in Durban auf einigen Veranstaltungen mitdiskutiert, auch erklärt, warum wir uns bei der Allianz im Waldschutzprogramm engagieren oder unser Geld in erneuerbare Energien investieren. Da geht es um ganz praktische Beispiele. Das interessiert die Leute hier ...

... mehr als ein verbindliches Abkommen?

Ich sage es mal so brutal, wie es ist: Fast alle sind hier müde, ewig nur über Worte und Halbsätze zu verhandeln. Alle wollen endlich auch mal praktische Ergebnisse sehen. Mir geht das doch auch so: Ich mache lieber ein Investment in diesem Sektor, als auf drei Terminen über die Strategie dahinter zu sprechen.

Gesprochen wird trotzdem: Umweltminister Röttgen hat in Durban die Schwellenländer aufgefordert, auch ihren Beitrag zu leisten. Ist das die richtige Strategie?

Röttgen hat recht. Es kann nicht sein, dass Europa immer voranschreitet, heute aber nur noch für zehn Prozent des Treibhausgasausstoßes der Welt verantwortlich ist – mit sinkender Tendenz. Da ist es richtig, auch von anderen Regionen einen Beitrag einzufordern. Ob das unter dem Gesichtspunkt der historischen Gerechtigkeit für alle nachvollziehbar ist – schließlich haben Schwellenländer lange viel weniger CO2 ausgestoßen – spielt jetzt keine Rolle. Die Probleme müssen gelöst werden.

Wie reagieren Schwellenländer auf derartige Appelle?

Sehr unterschiedlich. Die Chinesen haben hier ein Papier vorgelegt, das es ihnen ermöglicht, sich noch sowohl der abwartenden Haltung der USA anzuschließen wie auch der fordernden Europas. Zumindest hat China hier bei vielen Teilnehmern für etwas Hoffnung gesorgt, weil zum ersten Mal überhaupt die Bereitschaft zu erkennen war, Verantwortung zu übernehmen. Dem stehen Länder wie Indien entgegen, die hier bisher nicht mit kreativen Vorschlägen aufgefallen sind.

Warum bewegen sich einige Länder, andere aber nicht?

Deutschland und Europa tun sich relativ leicht, Klimaschutzziele zu formulieren und zu verfolgen, weil sich hier in den letzten zehn bis 15 Jahren eine zentrale Erkenntnis durchgesetzt hat: Wenn man in eine nachhaltige Industrie oder auch Landwirtschaft investiert, modernisiert man dadurch die Gesellschaft insgesamt und steigert die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft. Das ist der Punkt, den auch die Chinesen erkannt haben – auch angesichts der offensichtlichen Umweltprobleme dort. Andere Länder wie die USA sind noch nicht so weit. Deren Infrastruktur ist mangelhaft, deren Wettbewerbsfähigkeit sinkt.

China ist fortschrittlicher als die USA?

In diesem Kontext, ja. Schauen sie sich die Dynamik der Wirtschaft dort an, Chinas Engagement in der Umwelttechnik. Wir als Allianz haben da einen relativ guten Einblick, weil wir diverse Vorhaben betreuen. Ein Team von Allianz Climate Solutions ist gerade jetzt in China und schaut sich Produktionsanlagen für Umwelttechnik an. Sie sind nicht in den USA. Ich denke, das spricht für sich.

In Sachen Umwelttechnik ist Deutschland eigentlich vorn. Vattenfall aber ist diese Woche hierzulande aus der CCS-Technologie ausgestiegen. Wie bewerten Sie das?

Das ist ein zweischneidiges Thema. Auf der einen Seite ist CCS ein integraler Bestandteil des Energiekonzeptes der Bundesregierung, weil der Bau von größeren fossil befeuerten Kraftwerken klimaschutztechnisch künftig nur Sinn machen wird, wenn die Teile des freigesetzten Kohlendioxids abgetrennt werden können. Andererseits waren und sind bis heute wesentliche Fragen der Speicherung oder Endlagerung von CO2 nicht ausreichend erforscht.

Ist die Zeit also noch nicht reif für CCS?

Zumindest sind CCS-fähige Kraftwerke und Lagerstätten derzeit nicht privatwirtschaftlich finanzierbar. Die Versicherungswirtschaft hat sich bisher außerstande gesehen, CCS-Projekte mit ihren herkömmlichen Instrumenten zu versichern. Daher müsste der Staat die Absicherung übernehmen. Und dabei tut er sich offenbar noch schwer. Vor dem Hintergrund kann ich den Ausstieg von Vattenfall verstehen.

Wie können Klimaziele hierzulande erreicht werden ohne Kohle mit CCS?

Da muss die Gesellschaft noch stärker auf erneuerbare Energien im großen Stil setzen, auf Offshore-Wind zum Beispiel. Und auf Gaskraftwerke. Das alles muss natürlich bezahlt werden, vor allem der Ausbau der Infrastruktur, die nötig ist, um etwa noch größere Mengen Windstrom zu absorbieren und im Netz zu verteilen. Dazu ist das jetzige Stromnetz noch nicht ausgelegt.

— Das Interview führte Kevin P. Hoffmann

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