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Wirtschaft: „Almahaba“ – die Stimme der Irakerinnen

Ein von der Uno finanzierter Radiosender wirbt für die Gleichstellung der Frau in der neuen Verfassung

Von Yochi J. Dreazen Vor drei Jahren verdiente sich Majda Jabouri ihr Geld als Hausmeisterin. Eine andere Stelle konnte sie nicht finden, weil sie wegen des Widerstandes ihrer Familie gegen Saddam Hussein im Gefängnis gesessen hatte. Heute moderiert sie die beliebte tägliche Sendung „Teetasse“ auf Radio „Almahaba“, dem einzigen irakischen Radiosender, der sich Frauenthemen widmet.

In den meisten Episoden geht es um Beziehungsprobleme, Kindererziehung und andere „Frauenfragen“, aber natürlich geht es auch um spezielle irakische Themen: Eine der jüngsten Folgen behandelte die Gefühle der Frauen, deren Ehemänner sich eine Zweitfrau nehmen. Aktuell wird in der Politik debattiert, wie viele Rechte die Frauen in der neuen Verfassung des Landes erhalten sollen und deshalb steht der von den Vereinten Nationen unterstützte Radiosender jetzt an vorderster Front in dem erbitterten Streit. Einige Journalisten haben wegen ihrer Mitarbeit beim Sender Todesdrohungen erhalten. Viele schiitische Kleriker haben dazu aufgerufen, den Sender zu boykottieren.

Darauf hat der Sender reagiert, indem er über die Debatte nicht mehr nur berichtet, sondern sich jetzt auch aktiv einmischt. Umstritten ist beispielsweise, ob Frauen in der neuen Verfassung weitgehende Rechte wie zum Beispiel eine feste Quote an Parlamentssitzen von 25 Prozent erhalten sollen, was in der Übergangsverfassung vom vergangenen Jahr mit massiver amerikanischer Unterstützung bereits verankert worden war. Dagegen lehnen sich die schiitischen Parteien, die das Parlament dominieren, auf.

„Almahaba“, dessen Name sich von dem arabischen Wort für „Liebe“ herleitet, berichtet regelmäßig über UN-Resolutionen und ermutigt seine Zuhörerinnen, für ihre Rechte in der neuen Verfassung einzutreten.

Die Bereitschaft des Radiosenders, offen seine Ansichten über hochsensible politische Themen zu bekunden, unterscheidet ihn von den vielen anderen Medien im Land, die es aus Angst vor Anschlägen vermeiden, Farbe zu bekennen.

Bei „Almahaba“ heißt es, die Frauen hätten zu wenige Stimmen, die sich für ihre Interessen in der laufenden Debatte um die Verfassung einsetzten. Zwar setzen sich die Kurden und sunnitischen Araber für den Erhalt der Rechte der Frauen, die etwa 60 Prozent der irakischen Bevölkerung ausmachen, ein, doch die fundamentalistischen schiitischen Araber wollen die Rechte der Frauen einschränken und dem islamischen Recht eine größere Bedeutung geben.

Seit diesem Frühjahr sendet „Almahaba“ aus ein paar schäbigen Büros, die mit Fotos berühmter irakischer Künstlerinnen dekoriert sind. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter sind Frauen. Der Sender wurde von Deborah Bowers gegründet, einer amerikanischen Sozialarbeiterin, deren Interesse am Irak durch ihre Arbeit mit irakischen Kriegsflüchtlingen geweckt worden war. Bowers sagt, die Idee mit dem Radiosender sei ihr durch ihre irakischen Mitarbeiter gekommen, die den Sturz Saddam Husseins als Chance gesehen hätten, die rechtliche Lage irakischer Frauen entscheidend zu verbessern. Wenngleich Husseins Regime sich säkularisiert nannte, gab es für Frauen erhebliche Einschränkungen im täglichen Leben. Sie durften unter anderem das Land nicht ohne Ehemann oder einen männlichen Verwandten verlassen.

Frau Bowers präsentierte ihre Idee dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (Unifem), der Frauenselbsthilfeprojekte auf der ganzen Welt unterstützt. Die UN-Behörde bewilligte ihr 500000 US-Dollar (rund 412300 Euro), die es dem Sender ermöglichten, die erforderliche Ausrüstung zu besorgen und Büroräume nahe des Palestine-Hotels anzumieten.

Das Geld von der Unifem war nur eine Starthilfe, so dass, wie Mitarbeiter sagen, das Überleben des Senders davon abhängen wird, ob es ihm gelingt, Werbeeinnahmen zu erzielen und Unterstützung von irakischen, amerikanischen oder internationalen Organisationen zu gewinnen. Die Mitarbeiter eint ihr Wille, die Einführung islamischen Rechts zu verhindern. Die Reporter und Moderatoren ermutigen die Frauen, bei öffentlichen Anhörungen ihre Meinung zu sagen.

Selbst Majda Jabouri, in deren Sendungen es für gewöhnlich um Beziehungen geht, plant einige Sendungen über die Verfassungsdebatte. „Ich möchte meinen Zuhörern nicht nur Probleme aufzeigen“, sagt sie. „Ich möchte auch helfen, Lösungen zu finden.“

Übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Greenwich) Svenja Weidenfeld (Almahaba), Matthias Petermann (Duisenberg) und Christian Frobenius (Protektionisten/Bürokraten).

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