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Wirtschaft: Alter Schwede

Ingvar Kamprad, Gründer der weltweit erfolgreichen Möbelhauskette Ikea, übergibt das Geschäft an seine Söhne

Von Christian Gmelin

Es gibt keine Probleme. Nur Chancen. Dieses Motto begleitet die Geschichte Ikeas und seines Gründers. Stets gelang es Ingvar Kamprad, aus einer Not eine Tugend zu machen – und aus einem Einmannversand ein schwedisches Märchen zu stricken. Alles begann mit einem sperrigen Tisch, der nicht in den Möbelwagen passte und dem Kamprad kurzerhand die Beine abschraubte. 40 000 Mitarbeiter in 30 Ländern zählt das Ikea-Imperium heute, die Möbelmarke gehört zu den bekanntesten Ketten überhaupt. Nun aber steht dem Konzern ein Einschnitt bevor: Vergangene Woche kündigte der 76-jährige Firmengründer an, die Verantwortung an seine drei Söhne übergeben zu wollen. Führender Kopf soll sein Sohn Peter (38) werden, obwohl, sagt Kamprad, „ich ihn möglicherweise ein bisschen dazu drängen muss“.

So unprätentiös hat sich Kamprad als Unternehmer immer gegeben. Aus der Platzknappheit in den Gründertagen entstand seine bahnbrechende Idee, den Kunden in den Produktionsprozess einzubeziehen – und so Kosten für Transport, Lager und Montage zu sparen. Und weil sich Kamprad Produktnummern nicht merken konnte, gab er seinen Kreationen n: Billy, Ivar und Konsorten kennt heute jeder Ikea-Kunde.

Aber auch im Umgang mit negativen Schlagzeilen folgten Kamprad und Ikea diesem Prinzip. Wann immer Skandale aufkamen, reagierte das Management schnell und leise. Man umarmte die Kritiker und machte sie zu Freunden. Als Anfang der 90er Jahre Greenpeace entdeckte, dass die Billy-Regale giftiges Formaldehyd ausdampften, ließ Ikea die Produktion stoppen und schenkte dem Öko-Verband 2,5 Millionen Mark. Kurz danach wurde bekannt, dass Kamprad lange Kontakte zur rechten Szene gepflegt hatte. Daraufhin zeigte er sich reumutig und nannte seine braune Zeit die „größte Dummheit" seines Lebens. Sogar die Ausbeutung von Kindern in der Dritten Welt konnte Ikea nichts anhaben: Als das schwedische Fernsehen pakistanische Kinder beim Weben von Ikea-Teppichen zeigte, kündigte Ikea umgehend den Liefervertrag und spendete eine Million Mark an Unicef. Andere Konzerne wären angesichts solcher Imageschäden längst pleite, Ikea überstand den Trubel unbeschadet. Treffend beschrieb „Newsweek" Ikea als „Teflon-Firma", an der Anfeindungen abgleiten wie Fett an der Bratpfanne.

Ingvar Kamprad wurde am 30. März 1926 als Sohn eines Bauern im südschwedischen Agunnaryd geboren. Nach dem Abitur gründete er 1943 mit einem Startkapital von 300 Kronen (rund 30 Euro) einen Versand für Saatgut, Nylonstrümpfe oder Brieftaschen. Er nannte ihn Ikea, abgeleitet von seinen Initialen, dem elterlichen Hof Elmtaryd und der benachbarten Stadt Argunnaryd. Zufällig bemerkte er, dass eine hohe Nachfrage nach preiswerten Möbeln bestand. Anfang der 50er Jahre spezialisierte er sich darauf, und 1958 erschien der erste Ikea-Katalog.

Inzwischen sind die Kataloge Kult. Nach einem Werbeslogan ist das Prospekt mit einer Auflage von 110 Millionen Exemplaren das meist gelesene Buch der Welt – nach der Bibel. In München wurde 1974 die erste Deutschland-Niederlassung gefeiert. Heute ist Deutschland mit jährlich 58 Millionen Besuchern der wichtigste Absatzmarkt.

Die sozialdemokratische Idee, „ein breites Sortiment formschöner und funktionsgerechter Einrichtungsgegenstände zu Preisen anzubieten, die so günstig sind, dass möglichst viele Menschen sie sich leisten können", traf den Nerv der Verbraucher. Selbst die kritischen 68er sahen in dem Design nicht üblichen kapitalistischen Ramsch, sondern akzeptierten Billy als das klassenlose Regal für jedermann.

Vielen gilt Kamprad heute als sozialer Patriarch. Die Firma ist seine Familie. Jedes Mitglied erfüllt seine Rolle, von der Putzfrau bis zum Manager sind alle verantwortlich für den Erfolg. Und auch daran beteiligt: Ende 1999 spendete Kamprad an seine Mitarbeiter einen gesamten Tagesumsatz – immerhin 1500 Euro für jeden Beschäftigten.

Will man wissen, wie die Menschen wohnen wollen, sollte man auch wie sie leben, findet Kamprad. Mit einem Vermögen von 13 Milliarden Euro liegt der Ikea-Chef auf Rang 17 der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt – und gilt trotzdem als geizig. Auch Führungskräfte müssen Economy fliegen, in Billig-Hotels absteigen und in der Betriebskantine essen. Um nicht den Kundenkontakt zu verlieren, werden die Chefs in „unbürokratische Wochen" geschickt – der Manager wird zum Lagerverwalter. Kamprad selber fährt, wenn er nicht in seinem alten Volvo unterwegs ist, lieber Bus als Taxi, selbst Einweg-Geschirr verwendet er ein zweites Mal. Und zu Geschäftsessen lädt er oft in die hauseigene Hot-Dog-Bude.

Knausern als Geschäftsprinzip

So viel Geiz hat auch sein Gutes. Während es in der Möbelbranche kriselt, wachsen Ikeas Umsätze Jahr für Jahr. Bis 2012 soll die Zahl der Niederlassungen verdoppelt werden. Um dem Hochsteuerland Schweden zu entfliehen, entwickelte Kamprad eine komplexe Rechtsstruktur für seine Firma und verlegte früh Geschäftsfelder ins Ausland. Auch seine Weigerung, mit einem Unternehmenswert von 30 Milliarden Euro an die Börse zu gehen, ist nicht nur sozial motiviert. Er wolle nicht auch noch Verantwortung für Kleinaktionäre übernehmen – und obendrein noch seine Gewinnzahlen preisgeben. Außerdem müsste eine Ikea AG die kurzfristigen Profitinteressen fremder Investoren erfüllen.

Als Vorsitzender der Ingka-Stiftung, die den Konzern führt, ist Kamprad ein Workaholic: Ob eine neue Tasse in das Sortiment aufgenommen oder neue Märkte erschlossen werden sollen – der alte Schwede hat stets die Finger im Spiel. Bereits vor sechs Jahren plante er den Rückzug aus dem operativen Geschäft. Aber seine drei Söhne fand er noch „nicht reif genug", sie sollten sich erst beim Ikea-Verlustgeschäft Habitat beweisen – mit mäßigem Erfolg. Gerade genesen von einer Prostata-Operation lädt der 76-Jährige nun zum Familientreffen, auf dem er seinem Sohn Peter das Zepter übergeben will. Ganz ausscheiden wolle er aber nicht, sagt Kamprad. Dem Unternehmen bleibt die schwedische Legende also noch ein wenig erhalten.

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