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Wirtschaft: „Am liebsten arbeite ich an der Heizung“

Bäcker, Gebäudereiniger, Heizungsmonteure: Überall fehlen Azubis. Drei, die es machen, erzählen.

Berlin - Jede Nacht dieselbe Quälerei: Um halb eins schrillt der Wecker. Sebastian Kumoßa zwingt sich aufzustehen. Ohne groß nachzudenken, zieht er sich die karierte Hose an und das weiße Poloshirt. Kurze Zeit später schwingt er sich auf sein Fahrrad und radelt durch die Nacht zu seiner Arbeitsstelle, einer Bäckerei in der Ebersstraße.

Sebastian ist einer von 38 000 Berliner Auszubildenden. Dass ihm der Job immer Spaß macht, verneint er ehrlicherweise. „An das frühe Aufstehen musste ich mich erst gewöhnen. Manchmal fällt es mir immer noch schwer“, gibt der 19-Jährige zu. Momentan fehlen den 65 Betrieben noch knapp zehn Auszubildende, sagt die Bäcker-Innung. Eine Sprecherin schätzt aber, dass die Not noch größer ist. Viele Bäcker suchten privat nach Azubis. „Der Ruf von Bäckern ist nicht gerade der beste, weil der Beruf relativ niedrige Anforderungen hat“, sagt Sebastian Kumoßa. Er selber hat aber Gefallen daran gefunden. „Am liebsten arbeite ich mit Mehrkornbroten, die haben eine gute Konsistenz“, erzählt der 19-Jährige. In seinem Betrieb hilft er überall mit: Im Kühlraum sortiert er die Bleche mit Backwaren, in der Backstube befüllt er die riesigen Knetmaschinen oder steht an der Beute, einem Holztisch, und arbeitet die Teige auf. Sebastian Kumoßa geht aber auch gern in die Berufsschule. Dort lernt er die nötigen Zutaten einer Schwarzwälder-Kirsch-Torte kennen, aber auch wie Teige abgewogen und geformt werden.

„Meine Freunde waren von meinen Arbeitszeiten ziemlich schockiert, aber ich habe trotzdem immer Zeit für sie und meinen Ruderverein gefunden“, sagt er. Momentan ist er der einzige Azubi in der Bäckerei von Karsten Berning. Der Bäckermeister musste lange suchen, bis er zwei Lehrlinge für das nächste Ausbildungsjahr gefunden hatte. Einer der beiden kommt gar nicht aus Berlin, sondern aus Bielefeld. „Die Chancen, einen Job zu finden, stehen sehr gut. Und die Besten können sich die Jobs aussuchen“, berichtet Berning. „Der Trend zum Selbstgemachten kommt zurück, und die Nachfrage nach deutschen Backwaren im Ausland ist sehr groß.“

Arbeitslosigkeit – das kennt auch Dennis Kerstner nicht. Der 24-Jährige absolviert gerade eine Ausbildung zum Gebäudereiniger. „Viele denken, wir würden nur Böden putzen oder die Kaufhaus-Toilette reinigen“, sagt er. Insgesamt bieten die 95 Ausbildungsbetriebe in Berlin für das nächste Ausbildungsjahr 350 Lehrstellen an – doch davon sind zurzeit nur 141 besetzt. „Vielen gefällt es nicht, dass sie dann arbeiten, wenn andere noch schlafen oder schon Feierabend haben“, weiß Kerstner. Nach Angaben der Innung erfüllen viele Azubis aber auch nicht die Anforderungen der theoretischen und praktischen Ausbildung – rund ein Viertel bricht deshalb die Ausbildung im ersten Lehrjahr wieder ab. „Dabei ist es immer abwechslungsreich und ich bin immer an anderen Einsatzorten“, sagt der 24-jährige Azubi. Er reinigt Büros oder Seniorenheime, begibt sich aber auch schon einmal in luftige Höhen, um eine Glasfassade zu putzen. „Da ist immer ein bisschen Angst dabei, wenn man so weit oben ist“, gibt er zu. Während seiner Ausbildung lernt er auch, wie man Gefahrenstoffe entsorgt, wie Reinigungsmaschinen eingesetzt werden, aber auch einiges über Explosionsschutz und Schädlingsbekämpfung. „Dafür nehme ich es gerne in Kauf, um vier Uhr morgens aufzustehen“, sagt Kerstner.

Sebastian Schröder muss nicht ganz so früh aufstehen. Er absolviert eine Ausbildung zum SHK-Anlagenmechaniker. SHK steht für Sanitär, Heizung und Klima, viele denken dabei an verstopfte Toiletten. Heute geht es aber vor allem um Umweltschutz, Trinkwasserhygiene und Klimaschutz.

Der Beruf ist zwar einer der zehn stärksten des Berliner Handwerks, aber auch hier gibt es zu wenig passende Bewerber für die 50 noch offenen Stellen. „Die Ausbildung ist sehr anspruchsvoll, da sie quasi 7,5 Jahre Ausbildung in drei Jahren zusammenfasst“, erklärt Detlef Pfeil, der das SHK-Ausbildungszentrum Berlin leitet. Denn der SHK-Anlagenmechaniker besteht seit 2003 aus den Ausbildungen zum Gas- und Wasserinstallateur sowie der zum Heizungsbauer. „Am liebsten arbeite ich an der Heizung“, sagt der 21-jährige Sebastian Schröder. Er ist auch im Kundendienst unterwegs, unterstützt den Badumbau oder steht auf der Großbaustelle. „Es gibt nichts, was mir keinen Spaß macht“, sagt er. „Aber man muss sich schon darüber im Klaren sein, dass es körperlich anstrengend ist und man auch mal dreckig wird.“

Kristina Wollseifen

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