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Amerika in der Krise: Geld zum Nulltarif

Die US-Notenbank senkt den Leitzins auf einen Tiefststand. Doch es könnte noch dauern, bis das gegen die Krise hilft.

Berlin - In einem beispiellosen Schritt wird die amerikanische Notenbank Fed den Banken ab sofort praktisch zum Nulltarif Geld leihen. In einer Sitzung am Dienstag senkte die Fed den Leitzins auf eine Spanne zwischen null und 0,25 Prozent von zuvor einem Prozent. Der Leitzins hat damit das niedrigste Niveau seit 1971, als erstmals der Zielsatz für Tagesgeld festgelegt wurde. An den US-Börsen wurde die Nachricht mit Freude aufgenommen. Der Dow-Jones-Index legte um 4,2 Prozent auf 8927 Punkte zu.

Die Aussichten der US-Wirtschaft hätten sich weiter verschlechtert, begründete die Notenbank die Maßnahme. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt habe sich verschärft, der private Konsum, Investitionen und die Industrieproduktion seien anhaltend rückläufig. Mit der erneuten Zinssenkung stemmt sich die Fed weiter gegen die schwere Wirtschaftskrise, die die USA erfasst hat. Zum zehnten Mal seit Juni 2007 hat sie den Preis des Geldes gesenkt. Damals lag der wichtigste Zinssatz noch bei 5,25 Prozent. Mit ihm steuert die Fed die Finanzmärkte und die Realwirtschaft – hier sollen billige Kredite den Konsum und die Investitionen anregen.

Doch das klappt nicht – wegen der Krise wirkt der Zinsschritt nicht so, wie die Notenbank sich das wünscht, der Kreditfluss ist ausgetrocknet. „Die traditionelle Geldpolitik stößt an ihre Grenzen“, konstatiert Michael Burda, US-Ökonom und Professor an der Humboldt-Universität. Auch die Strategie der Fed, die Märkte mit Liquidität zu fluten, fruchtet bislang nicht – obwohl die Notenbank ihre Bilanzsumme binnen weniger Monate so auf mehr als 2,1 Billionen Dollar verdoppelt hat.

Jetzt bleibt nur noch ein Mittel: die Ausgabe von viel Geld. Unter anderem will die Notenbank Anleihen der staatlichen Hypothekenfinanzierer in großem Stil aufkaufen, wie sie mitteilte. Ziel ist es, den nach wie vor taumelnden Immobilienmarkt wieder zu stabilisieren. Außerdem will sie Unternehmen und Haushalten den Zugang zu Krediten erleichtern. Fed-Chef Ben Bernanke kündigte zudem an, den Leitzins für einige Zeit auf einem sehr niedrigen Niveau halten zu wollen.

Wann es in Amerika wieder Erfolgsmeldungen gibt, steht in den Sternen. Die Lage ist äußerst düster: 2008 gingen schon 1,9 Millionen Arbeitsplätze verloren – von insgesamt 137 Millionen. Seit Ende 2007 steckt das Land in einer Rezession. Der Einzelhandel stockt, die Autobauer stehen vor dem Aus, der Häusermarkt, von dem die Krise ausging, hat noch immer keinen Boden gefunden: Im dritten Quartal kamen 765 000 Häuser unter den Hammer, 70 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Voraussagen schwanken, ob die US-Wirtschaft zwischen Oktober und Ende Dezember aufs Jahr hochgerechnet um bis zu sechs Prozent geschrumpft ist – oder ob das Minus doch nur bei drei Prozent liegen wird. Klar ist: Erst wenn die USA die Wende geschafft haben, wird es auch in Europa richtig bergauf gehen.

„Wahrscheinlich wird die Wirtschaftsleistung erst Ende 2009 wieder wachsen“, befürchtet Christoph Weil, US-Experte bei der Commerzbank. Selbst eine Deflation, ein dauerhaft sinkendes Preisniveau, könnte auf das Land zukommen. Allein im November fielen die Preise gegenüber dem Vormonat um 1,7 Prozent – der stärkste Rückgang seit 61 Jahren. Eine Deflation gilt als Albtraum aller Wirtschaftspolitiker – in einer Abwärtsspirale würden dann Nachfrage und Gewinne sinken und die Arbeitslosigkeit steigen.

Die Hoffnung ruht nun auch auf Barack Obama. Sein neues Konjunkturprogramm solle 600 Milliarden Dollar umfassen, kündigte Nancy Pelosi an, die Präsidentin des Repräsentantenhauses. „Die USA stemmen sich mit Händen und Füßen gegen die Rezession“, sagt US-Ökonom Burda. Die Lage ähnele der Depression der 30er Jahre. „Jetzt muss die Fiskalpolitik hinzukommen. Angesichts der lange vernachlässigten Infrastruktur gibt es ja eine Reihe von Möglichkeiten, die Konjunktur anzukurbeln.“

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