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Wirtschaft: Amerikanische Probleme beflügeln den Euro

Berlin (beh). Der Kurs des Euro kennt derzeit nur eine Richtung.

Berlin (beh). Der Kurs des Euro kennt derzeit nur eine Richtung. Am Mittwoch erklomm die europäische Gemeinschaftswährung erstmals seit dem Januar vergangenen Jahres die Marke von 0,95 US-Dollar. Am wichtigen Devisenmarkt in London war der Kurs am Morgen auf 0,9503 gestiegen. Die Europäische Zentralbank legte den Referenzkurs bei 0,9452 (Dienstag: 0,9417) US-Dollar fest. Experten schließen die Parität zum Dollar in den kommenden Wochen nicht mehr aus. Dass sich die europäischen Aktienmärkte negativ entwickeln, hält den Euro nicht auf. Im Gegenteil: Volkswirte und Fondsmanager führen die Kursgewinne der Währung, die seit Ende März von 87 auf jetzt knapp 95 US-Cent gestiegen ist, zum Teil auf die Schwäche des amerikanischen Aktienmarktes zurück, der auch in Europa die Börsen drückt.

So machen die Experten in erster Linie die amerikanischen Probleme für den Aufwärtstrend der Gemeinschaftswährung verantwortlich. „In erster Linie ist der Dollar schwach, nicht der Euro stark“, meinte Martin Hüfner, Chefvolkswirt der Hpyo-Vereinsbank im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Europäer sollten aber froh sein, dass ihre Währung endlich internationale Anerkennung finde. Hüfner: „Das ist eine Genugtuung.“ Der schwache US-Aktienmarkt sowie „ein Gemisch von Unsicherheiten“ in Amerika belasteten den Dollar. Springt der Euro nachhaltig über die Marke von 95 Cent, so sei der Weg frei für die Parität, glaubt Hüfner. Die Währung sei aber bereits mehrmals an der Hürde abgeprallt. Hüfner erwartet den Gleichstand in den kommenden Monaten.

Stefan Sauerschell, Fondsmanager für Renten und Währungen bei Union Investment, sieht bereits seit dem Juli 2001 einen „Trendbruch“. Geld werde aus den USA abgezogen und fließe in Euro-Anlagen. Zudem habe der Fall Enron nicht nur das Vertrauen in die US-Aktienmärkte erschüttert, sondern in amerikanische Geldanlagen allgemein. Das hohe Leistungsbilanzdefizit wirke ebenfalls nicht vertrauensbildend. Wie Sauerschell, der die Entwicklung derzeit abgekoppelt von positiven Konjunkturdaten in den USA sieht, hält auch der Chefvolkswirt der Bankgesellschaft Berlin, Heinz Grimm, die Euro- und Dollarkurse eher für „stimmungsgetrieben“. Die fundamentalen Daten aus dem Euroraum deuteten jedenfalls nicht eindeutig auf einen Aufschwung hin, meint der Ökonom. Die Frühindikatoren seien sehr gut, aber bei den „harten“ Fakten gab es, so Grimm, „einige Schlappen“. Der Volkwirt, der ursprünglich von der Parität zum Dollar Ende dieses Jahres ausgegangen war, hält angesichts des Tempos der Devisenmärkte den Gleichstand nun früher für möglich. Eine große Schwächung der europäischen Konjunktur durch einen zu harten Euro sehen sowohl Sauerschell als auch Grimm erst ab einem Kurs deutlich oberhalb der Parität. Außerdem gehe der größte Teil der deutschen Ausfuhren in Euroländer wie Frankreich und Italien, gibt Grimm zu bedenken. Daher sei der Stand nicht besorgniserregend - auch nicht für die exportabhängige deutsche Wirtschaft.

Hypo-Chefvolkswirt Hüfner glaubt erst ab einem Kurs von 1,10 Dollar an „schmerzhafte“ Auswirkungen. Die international agierenden Konzerne hätten mit Kursen über einem Dollar bereits kalkuliert. Zudem wurden die höchsten Zuwachsraten bei den Ausfuhren zuletzt in Osteuropa, also in Ländern außerhalb der Dollar-Sphäre, erzielt. „Außerdem werden Importe aus den USA billiger“, gibt Hüfner zu bedenken. Prinzipiell findet der Ökonom aus München den Euro-Aufschwung „sehr positiv“. Kopfschmerzen bereitet ihm allerdings die Euro-fördernde Schwäche der amerikanischen Kapitalmärkte, die auf konjunkturelle Belebungssignale nicht reagieren. So richtig erklären kann sich Hüfner die Vorgänge nicht, aber er ist sich zumindest in einem sicher: „Da läuft etwas ganz Unangenehmes ab“

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